Verfassungsschutz wird umstrukturiert

■ Innensenator Schönbohm kündigt nach schweren Pannen eine "schrittweise personelle Erneuerung" beim Verfassungsschutz an. Grüne wollen, daß sich das Parlament mit der Affäre befaßt. Böger gegen Einsatz

Nach der jüngsten Verfassungsschutzaffäre soll das Landesamt für Verfassungsschutz umstrukturiert werden. Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) kündigte gestern die „schrittweise personelle Erneuerung“ der Behörde an. Verfassungsschutzchef Eduard Vermander soll die „unabweisbar notwendige“ Neuorganisation voranbringen. Schönbohm sprach Vermander gestern sein volles Vertrauen aus. Vermander hatte bereits im Juli seinen Rücktritt angeboten. Dies hatte der Innensenator bis Dienstag auch in Betracht gezogen, dann aber verworfen.

Ein Konzept zur Neuorganisation des Landesamtes hatte Vermander bereits Anfang des Jahres vorgelegt. Es sieht vor, die drei Abteilungen Extremismus, Spionageabwehr und Personal in fünf Referate aufzugliedern. Dafür soll in der 250 Mitarbeiter starken Behörde die Hierarchieebene der Abteilungsleiter entfallen.

Schönbohm dementierte, daß an eine Ablösung von Vermanders Stellvertreter Klaus Müller gedacht werde, fügte aber hinzu: „Wir werden sehen, wie das Amt aussieht, wenn es umstrukturiert wird.“ Müller ist für die Abteilung Extremismus zuständig, in deren Bereich die beiden schweren Pannen fallen: die Abteilung hat die gerichtliche Schlappe gegen die „Republikaner“ zu verantworten und ist auch für die Beobachtung von Scientology zuständig. Das Konzept für die Umstrukturierung der Behörde soll nun eine Arbeitsgruppe aus Innenverwaltung und Verfassungsschutz sowie eine weitere verfassungsschutzinterne Gruppe ausarbeiten.

Die bündnisgrüne Abgeordnete Renate Künast warf dem Innensenator vor, erst jetzt umzusetzen, was bereits 1992 im Boeden-Gutachten empfohlen worden sei. Das Gutachten, das der frühere Leiter des Bundesverfassungsschutzes, Gerhard Boeden, und zwei Chefs von Landesämtern erarbeitet hatten, war vom Verfassungsschutzausschuß im Februar 1992 verabschiedet, aber nur zum Teil umgesetzt worden.

Künast kritisierte, daß „jede verkrachte Gestalt“ V-Mann werden könne. Eine Kontrolle der Tätigkeit von V-Männern fände nicht statt. Auch der Verfassungsschutzausschuß habe in der gestrigen Sitzung „keine Informationen“ darüber erhalten. Entgegen der Darstellung Schönbohms sei für die Grünen das Thema nicht erledigt. Vielmehr solle sich in der nächsten Woche das Parlament mit der Affäre befassen.

Künast warf Staatssekretär Kuno Böse (CDU) Fehler bei der Fachaufsicht vor. Dadurch, daß er den Verfassungsschutz zur Eile angetrieben habe, seien dort Fehler gemacht worden. Böse erklärte zu seiner Rolle: „Fehler in dem Sinne, daß schuldhaft etwas versäumt wurde, kann ich nicht erkennen.“

SPD-Fraktionschef Klaus Böger hält den Einsatz von früheren Stasi-Mitarbeitern beim Verfassungsschutz für „außerordentlich fragwürdig“. Es handle sich in aller Regel um Menschen, die vor der Wende gegen die in unserer Verfassung festgelegten Grundwerte agitiert haben. Im Landesamt müßten künftig alle eingehenden Informationen von hochqualifizierten Fachleuten auf die Goldwaage gelegt werden. Die Voraussetzungen dafür müßten offenbar erst noch geschaffen werden. Dorothee Winden

Berichte Seite 7 und 24