Vorbildliches Obdach geschlossen

■ Der Bezirk Reinickendorf will das Obdachlosenheim Kopenhagener Straße schließen. Für die Bewohner bedeutet das den Umzug in dreckige Ausweichquartiere. Private Heime kritisiert

Das als vorbildlich geltende Obdachlosenheim in der Kopenhagener Straße wird zum Ende des Jahres geschlossen. Das beschloß die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) mit CDU-Mehrheit am Mittwoch abend. Der Bezirk will die Kosten für das Heim einsparen und das Haus für 1,9 Millionen Mark zu einem Verwaltungsgebäude umbauen.

„Für uns ist die Vorstellung, in eine andere Einrichtung zu müssen, der blanke Horror“, erzählt ein vom Aus des Obdachlosenheimes in der Kopenhagener Straße Betroffener. Kein Wunder, denn in den vom Reinickendorfer Sozialstadtrat Rainer Lembcke (CDU) in Betracht gezogenen Ausweichquartieren herrschen zum Teil katastrophale Zustände. In dem von der Firma Sorat geführten Wohnheim in der Holzhauser Straße etwa seien die Toiletten kaputt, die Bewohner verwahrlost. Das Haus entspreche „zum großen Teil nicht den gesundheitlichen Hygienevorschriften“. Zu diesem Ergebnis kamen Heimbegeher aus Reinickendorf und Kreuzberg, die die private Einrichtung besuchten.

Erst 1992 war das 15,5 Millionen teure Haus an der Kopenhagener Straße mit 120 Betten eröffnet worden. Anders als in gewerblichen Notunterkünften werden die Obdachlosen dort von sechs Sozialarbeitern betreut. Eine Schließung wäre aber, laut Oliver Schruoffeneger von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus „nicht nur ein finanzpolitischer Skandal“. Denn innerhalb eines Jahres konnte etwa der Hälfte der Bewohner des Männerwohnheimes eine dauerhafte Bleibe vermittelt werden. Mit dieser Quote liegt die Kopenhagener Straße bundesweit an der Spitze.

Zwar hat Sozialstadtrat Lembcke versprochen, die Wohnungslosen „entsprechend“ unterzubringen, doch „gibt es keine adäquate Einrichtung hier“, erbost sich ein Sozialarbeiter. Er weiß, daß die anderen gewerblichen Unterkünfte in der Regel nicht besser sind als die von Sorat. „Die tragen nicht zu Unrecht den Namen Läusepensionen“, stellt er fest. Auch ein Obdachloser erzählt von Dreck, Gewalt und Drogen. Die Beschäftigten des Wohnheims dürfen nicht mehr jammern. Das Personal hat vom Stadtrat einen Maulkorb verpaßt bekommen. Daß gewerbliche Notunterkünfte teuer sind und dort oft unhaltbare Zustände herrschen, ist ein offenes Geheimnis: In Schöneberg mußte eine Einrichtung wegen Seuchengefahr schließen, in Hermsdorf seien die Aufseher meist betrunken, berichten Betroffene.

Indes sieht Schrouffeneger das Männerwohnheim in der Kopenhagenerstraße noch nicht verloren. Ende Oktober muß der Hauptausschuß über den Bezirkshaushalt entscheiden. Den Einsparungen des Bezirks von 803.000 Mark stehen neue Kosten für die Unterbringung der bisherigen Bewohner in Höhe von 777.000 Mark gegenüber. Das ergab eine Wirtschaftlichkeitsberechnung der Abteilung Sozialwesen. Weil das Land für den Bezirk einspringen muß, ergäbe das eine Kostenverschiebung an den Senat. Kirsten Küppers