Kongreß entscheidet über mögliche Amtsenthebung

■ Sonderermittler Starr legt seinen Bericht vor, Clinton entschuldigt sich bei Parteifreunden

Washington (taz) – Das politische Schicksal von US-Präsident Bill Clinton liegt jetzt in den Händen des Parlaments. Nach siebenmonatigen Untersuchungen in der Lewinsky-Affäre hat Sonderermittler Kenneth Starr gehandelt: Zur Überraschung der Spitzenpolitiker im US-Kongreß entschied der 52jährige am Mittwoch, die Ergebnisse seiner Untersuchung – ein rund 500 Seiten umfassender Bericht und 36 Kisten Akten – dem Kongreß zu überstellen. Noch Stunden zuvor hatte der Anführer der demokratischen Minderheit, Richard Gephardt, erklärt, der Report werde nicht mehr für Mittwoch erwartet.

Offenbar wollte Starr mit seinem raschen Handeln möglichen Verhinderungsmanövern des Weißen Hauses zuvorkommen. Clintons Anwalt hatte davor vergeblich um ein Vorabexemplar gebeten, damit der Präsident die mutmaßlichen Vorwürfe Meineid und Machtmißbrauch kontern könnte.

Noch am Morgen hatte Clinton sich mit der Führung der Demokraten getroffen und die Parteiprominenz aufgefordert, mit öffentlicher Kritik an seinem Verhalten zurückzuhalten. Bei einer Wahlveranstaltung in Florida am Nachmittag entschuldigte sich Clinton dann erneut öffentlich für die Affäre mit der heute 25jährigen Monica Lewinsky. Er sagte, er erlebe im Moment die „härteste Zeit“ seines Lebens. Bill Clinton tut gut daran, sich zu entschuldigen. Am 3. November wird bei Wahlen in den USA über ein Drittel des Senates, das komplette Repräsentantenhaus und 36 Gouverneursposten entschieden. Zahlreiche demokratische Parteifreunde sind deshalb auf Distanz zum US-Präsidenten gegangen. Sie fürchten die negativen Auswirkungen der Lewinsky-Affäre. Umfragen zufolge können die Republikaner mit deutlichen Siegen rechnen.

Der Starr-Report wird nun von den Sicherheitsorganen des Kongresses unter Verschluß gehalten, bis der Kongreß über das weitere Vorgehen beschlossen hat. Am brisantesten ist dabei die Frage, wann und in welchem Umfang das Parlament und die Öffentlichkeit über den Inhalt informiert werden. Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich, kündigte an, das Parlament werde voraussichtlich am Freitag über das genaue Verfahren zur Behandlung des Berichtes entscheiden. Er sei dafür, daß die wesentlichen Teile veröffentlicht werden. Der Kongreß muß auch entscheiden, welches die weiteren Schritte sein sollen, die zu einem Amtsenthebungsverfahren führen könnten.

Gingrich und der Führer der demokratischen Minderheit im Abgeordnetenhaus, Richard Gephardt, betonten ihren Willen, die Prozedur im Kongreß unparteiisch und fair abzuwickeln. Beide Politiker sprachen von einer „überaus ernsten Angelegenheit vor der Verfassung und vor dem Volk“, die Zusammenarbeit ohne taktisches Kalkül erfordere. Gephardt erklärte, die Frage werde in ihrem Gewicht nur davon übertroffen, „wenn der Kongreß einem Land den Krieg zu erklären hat“. Thomas Rüst