Danke (8)
: Dschenärehschen Käi

■ Wir kündigen an und sitzen aus: Gibt es eine Generation Kohl? Hat man eine Wahl?

Vor fast genau vier Jahren habe ich Doug getroffen. You know, wir saßen in einer Berliner Szenekneipe, quatschten über dies und das, Musik, Frauen, so was in der Art. Wir lachten viel, und Doug trank einen Tee und ich einen Tomatensaft. Irgendwann fragte mich Doug etwas, woraufhin ich eine nur mäßige Antwort zusammenstotterte. Da legte er mir plötzlich seine Handfläche auf meine Stirn und fragte mich mitfühlend: How can I help you?

Das Problem war folgendes: Doug war nicht einfach Doug, Doug war Douglas Coupland. Sie wissen schon, „Generation X“, „Shampoo Planet“, diese Sachen, und ich saß da nicht so zum Spaß herum, sondern sollte ein flippiges Interview mit dem Zeitgeistguru der frühen 90er führen. Dieses Interview war ein merkwürdiges, weil Coupland die Fragen stellte: „Wie fühlt man sich als Ostdeutscher? Wie war das, als du 30 wurdest?“ Ich mein', der Typ – obwohl nicht viel älter als ich – erzählte mir gerade wunderschöne Dinge über die 70er (“das Leben war viel leichter damals, du konntest verwundbarer sein“). Er hatte mindestens ein wirklich großartiges Buch über die 90er geschrieben, über diese Generation X, über die unterforderten, überqualifizierten, gottlosen Twentysomethings, und jetzt wollte er von mir eine Antwort, über mich und meine Generation.

Wer war ich? Zu wem gehörte ich? Wie hieß meine Generation? 68er, jeder weiß Bescheid – ich war noch im Kindergarten. 78er, AKW-nee – ich wechselte gerade von der BSG Energie zur BSG Lokomotive. 89er, friedliche Revolution, nun ja. Und ein „Bohemien im Zeitalter der Postmoderne“ (“Generation X“) bin ich auch nicht.

Ich war eine Null, ein Vakuum. Jetzt aber habe ich eine Antwort gefunden, sie stand in der Zeit. Sie ist unheimlich, schockierend, aber wahr: Es gibt eine Generation Kohl, kurz Generation K (sprich global: Dschenärehschen Käi). Noch schlimmer: Ich gehöre dazu. Und auch viele, die ich kenne. Und am schlimmsten: Das ist nicht so einfach wegwählbar.

Wir kündigen an, wir sitzen aus, wir essen gern und gut, und in aufgeregten Diskussionen fallen wir unserem Gegenüber permanent ins Wort. Wir lieben Tiere, sind launig und werden schnell böse, wenn man uns dumm kommt. Wir sind im Grunde von uns ziemlich überzeugt und machen am liebsten auch alles selbst. Wir mögen eigentlich keine politischen Talkshows, wir fühlen uns gern und unreflektiert als Europäer, und wir begrüßen Verzicht und Veränderungen, wenn sie nur uns selbst nicht betreffen. So sieht das aus mit uns und den 90ern.

Hallo Doug, hilf mir! (Ob man daraus wenigstens ein Buch machen kann?) Andreas Lehmann

Lehmann ist freier Autor in Berlin