„Es kommt darauf an, daß man überhaupt einzahlt“

■ Margret Mönig-Raane, Vorsitzende der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV), meint, geringfügig Beschäftigte hätten durch die neue Regelung keinen finanziellen Nachteil

taz: Leute mit 620-Mark-Jobs haben bald weniger Geld in der Tasche, weil sie zusätzliche Steuern und Sozialabgaben zahlen sollen. Bekommen Sie als Befürworterin dieser Regelung jetzt wütende Protestanrufe?

Margret Mönig-Raane: Nicht einen einzigen. Ich kann Ihnen auch sagen, warum. Bisher gibt es eine pauschale Arbeitgebersteuer auf diese Jobs, die in der Realität aber meist die Beschäftigten berappten. Diese darf in Zukunft aber nicht mehr auf die ArbeitnehmerInnen abgewälzt werden. Statt dessen werden sie zur Rentenversicherung herangezogen, haben dadurch aber keinen Nachteil. Die KollegInnen sind vermutlich ganz froh, daß ihr Geld nicht im Staatssäckel verschwindet, sondern auf ihrem Rentenkonto landet.

Außerdem will die rot-grüne Regierung Lohnsteuer erheben.

Unterm Strich muß die zusätzliche Belastung der ArbeitnehmerInnen so gering wie möglich bleiben. Davon abgesehen gibt es einen Grundsatz: Wenn ich beschäftigt bin, zahle ich Steuern und Abgaben. Es gibt keinen logischen Grund, warum bestimmte Beschäftigungsverhältnisse davon auf die Dauer ausgenommen sein sollten. Für die Beschäftigten untereinander kommt dabei nämlich eine Schmutzkonkurrenz heraus. Das verleitet viele Unternehmen dazu, sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse in ungeschützte umzuwandeln.

Die billigen Arbeitsverhältnisse bieten eine Einstiegsluke in den Arbeitsmarkt, weil sie für die Firmen so wenig kosten. Befürchten Sie nicht, daß viele dieser Jobs bald wegrationalisiert werden?

Sie sind keine Einstiegsluke für ArbeitnehmerInnen, sondern eine Ausstiegsluke für die Unternehmer. Besonders im Einzelhandel registrieren wir den Trend, daß normale Jobs einfach in billige Beschäftigungsverhältnisse umgewandelt werden. Dem muß man einen Riegel vorschieben.

Wird ein Arbeitsplatz teurer, gerät er in Gefahr.

Teilweise ja. Doch man muß sehen, daß viele Betriebe die Anzahl ihrer VerkäuferInnen nicht weiter reduzieren können, weil sonst niemand mehr im Laden steht. Auch die Unterteilung eines 620-Mark- Jobs in zwei 300-Mark-Stellen wird sich in engen Grenzen halten, denn die Unterteilung bringt teilweise höhere Kosten mit sich. Der Arbeitgeber muß dann zum Beispiel zwei Lohnabrechnungen machen. Viele Unternehmen werden davon die Finger lassen.

Was sagen Sie den ArbeitnehmerInnen, die sich über die lächerliche Rente von 30 Mark beschweren, die sie später durch die neue Versicherungspflicht bekommen?

Auch diese Rententeile tragen dazu bei, daß manche Beschäftigten überhaupt erst eine Versorgung in sinnvoller Höhe erhalten. Es kommt nicht nur darauf an, daß man gut einzahlt, sondern daß man überhaupt einzahlt.

Wenn eine Verkäuferin fünf Jahre in einem 620-Mark-Job arbeitet und damit einen Rentenanspruch von 30 Mark erwirbt, ist das wenig im Vergleich zur Gefahr, den Arbeitsplatz zu verlieren.

Eine falsche Gleichung. Verkäuferinnen arbeiten nicht fünf Jahre und dann nie mehr, sondern sie arbeiten mal Vollzeit, mal Teilzeit, hören auf und fangen wieder an. Besonders bei Frauen finden wir häufig unterbrochene Berufsverläufe. Da sind die neuen Rentenansprüche ein Mosaikstein.

Ein sehr kleiner...

Aber wenn er fehlt, fehlt er.

Überhaupt keine Nachteile für ArbeitnehmerInnen?

Ich kenne nur wenig ArbeitnehmerInnen, die wirklich gerne Steuern und Sozialabgaben zahlen. Aber da wir uns in dieser Gesellschaft verständigt haben, daß bestimmte soziale Sicherungsansprüche durch Beiträge erworben werden müssen, ist es keine Frage, ob man das gerne tut oder nicht, sondern ob das vernünftig ist oder nicht. Interview: Hannes Koch