Lafontaine bald der König von Brüssel?

Obwohl es keine Bestätigung dafür gibt, daß Finanzminister Oskar Lafontaine im Jahr 2000 wirklich Präsident der EU-Kommission werden will, wird er schon mal als guter Europäer gelobt, auch in Frankreich  ■ Aus Bonn Markus Franz

Zwischen Deutschland und Frankreich laufen nach Angaben aus regierungsnahen Kreisen in Paris Beratungen, ob beide Länder Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine als gemeinsamen Kandidaten für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten im Jahr 2000 vorschlagen wollen. Die Gespräche hätten bereits auf ministerieller Ebene stattgefunden. Es sei aber noch unklar, ob Lafontaine mit einer Nominierung einverstanden sei. Allerdings gibt es keine Bestätigung, daß Lafontaine wirklich nach Brüssel wechseln will. Regierungssprecher Heye bezeichnete entsprechende Berichte als „absurde Spekulation“.

Lafontaine selbst wollte sich nicht äußern. Aus seiner Umgebung hieß es, er beteilige sich grundsätzlich nicht an „Personalspekulationen“. Zeitungen hatten geschrieben, Lafontaine wolle sich „zeitnah entscheiden“. Dessen ungeachtet ist eine Kandidatur von Lafontaine für den Chefsessel in Brüssel gestern bei Politikern von SPD und Grünen auf Zustimmung gestoßen. Lafontaine wäre dafür ein „guter Mann“, erklärte der SPD-Europapolitiker Klaus Hänsch. Die Parteisprecherin der Grünen, Gunda Röstel, sagte, sie mache keinen Hehl daraus, daß sie Lafontaine für einen geeigneten Europapolitiker halte. Bei den Bonner Koalitionsverhandlungen soll die Regelung der Santer-Nachfolge kein Thema gewesen sein. Lediglich den Grünen war ein freiwerdender Posten eines EU-Kommissars zugesagt worden.

Auch aus Frankreich scheint Lafontaine Zustimmung für eine EU-Präsidentschaft gewiß zu sein. Vertraute des französischen Ministerpräsidenten Lionel Jospin erklärten, Lafontaine wäre ein „sehr guter Kommissionspräsident“. Allerdings sei ihnen ein entsprechender Plan nicht bekannt. Der FDP- Partei- und Fraktionsvorsitzende Wolfgang Gerhardt forderte Lafontaine auf, unverzüglich Klarheit zu schaffen, ob er nach Brüssel wechseln wolle. Er sei gegen eine Kandidatur Lafontaines. Den anderen europäischen Ländern dürfe man Lafontaines falsche Politik nicht auch noch zumuten.

Die Diskussion um Lafontaine war durch einen Bericht der Zeit ins Rollen geraten. Demzufolge soll ein namentlich ungenanntes Bonner Regierungsmitglied mit einem französischen Amtskollegen vertrauliche Gespräche über die Nachfolge Santers gesprochen haben. Dabei soll auch der Name Lafontaine gefallen sein. Schon seit längerem waren Lafontaine Ambitionen nach Brüssel nachgesagt worden. Nach Ansicht des Europapolitikers Klaus Hänsch seien die Deutschen wieder einmal an der Reihe, den Brüsseler Präsidentenposten zu besetzen. Deutschland hat den Posten mit Walter Hallstein erst einmal, von 1958 bis 1967, besetzt. Allerdings hätten auch andere Mitgliedstaaten noch keinen Präsidenten gestellt.

Der Einfluß des Kommissionspräsidenten dürfte mit dem Start der Europäischen Währungsunion erheblich zunehmen. Regierungssprecher Heye sagte, die Bundesregierung habe sich noch keine Meinung gebildet, ob ein Deutscher EU-Kommissionspräsident werden soll. Kommentar Seite 12