Kommentar
: Überwinterungssenatoren

■ Die dröge Nachwahl ist ein Spiegel der Politik

Wohl selten ging die Nachwahl von gleich drei Senatoren so unspektakulär über die Bühne des Landesparlaments wie gestern. Zwar hatte die CDU im Vorfeld noch einmal mit den Säbeln gerasselt und einen kleinen Streit um die Reihenfolge der Kandidatenwahl inszeniert, aus Angst, die SPD könnte einen ihrer beiden Anwärter durchfallen lassen. Gut gebrüllt, Löwe, könnte man jetzt sagen, denn die Wahl der neuen Senatoren lief ordnungsgemäß unaufgeregt ab.

Gabriele Schöttler ist die Nachfolgerin von Christine Bergmann als Senatorin für Arbeit und Frauen, Eckart Werthebach folgt Jörg Schönbohm als Innensenator nach, und Wolfgang Branoner darf sich anstrengen, die Wirtschaft zu puschen. Mit markigen Worten haben sich die drei im Vorfeld der Wahl nicht aus dem Fenster gelehnt. Die neuen Köpfe gelten als redliche Arbeiter, haben wenige oder gar keine Leichen im Keller, und daß sie das Ruder in der Großen Koalition herumreißen werden, glaubt niemand. Warum also, fragten sich die Abgeordneten, sollen wir noch eine Aussprache über die Kandidaten veranstalten? Man traf sich, schwieg und wählte. Punktum.

Aufgeregte Zeiten wie 1981, als Dietrich Stobbe, damals Regierender Bürgermeister, bei einer verpatzten Nachwahl gleich mit stürzte, sind in der piefigen Landespolitik unter Schwarz-Rot längst Geschichte.

Dabei hätte die SPD die Chance gehabt, genau daran anzuknüpfen. Das Gespür für das Ende der Großen Koalition hat Klaus Böger mit seiner Forderung nach Neuwahlen zwar bewiesen. Allein sein Mütchen und das seiner Partei, den rot- grünen Ruck aus Bonn für sich zu instrumentalisieren, haben nicht ausgereicht, den „Cut“ zu vollziehen. Die Sozialdemokraten beschäftigen sich lieber mit ihrer traditionellen Rolle als Lampenputzer und natürlich mit eigenen Personalquerelen, inklusive des Ur-Wahlzirkus. Wäre ein starker Spitzendkandidat – oder eine Spitzenkandiatin – für das Regierungsamt an Bord, die personellen Fliehkräfte der CDU hätten der SPD nur genutzt. Aber dem ist nicht so – vielleicht auch nicht in einem Jahr.

So bleibt die Aussicht, daß sich bis zur Landtagswahl im Herbst 1999 in der Hauptstadt nur wenig mehr bewegt als bisher. Für frischen Wind werden die drei neuen Senatoren in der kurzen Periode ihrer Amtszeit kaum sorgen können. Sie sind als Überwinterungssenatoren der Großen Koalition gewählt. Rolf Lautenschläger