Hunderttagefragen

■ Warum muß Gerhard Schröder für seinen Audi bezahlen?

„Die Evolution einer Revolution.“ Das könnte für den erfolgreichen Marsch der Grünen durch die Institutionen stehen oder für den Frust in Ostdeutschland neun Jahre nach der Wende. Aber nein. Dieses gewollt originelle Wortspiel haben sich die Presseleute von Audi ausgedacht, um ihre „neu akzentuierte“ Edelkarosse A8 anzupreisen. Seit Gerhard Schröder sich für das Topmodell der VW- Tochter als künftigen Dienstwagen entschied, müssen sich die Ingolstädter über ihre Werbekampagne nicht mehr so arg den Kopf zerbrechen.

Mit den vier Ringen wird der Kanzler in den Nachrichtensendungen vorfahren – wirksamer kann der Konzern nicht Flagge zeigen. Trotzdem muß Deutschlands Werbeträger Nummer eins für das Auto blechen. Der Preis unterliegt bei Audi größter Geheimhaltung, aber mit den rund 400.000 Mark, die im letzten Etat des Bundeskanzleramtes für den Dienstwagenkauf vorgesehen waren, müsse man schon rechnen, sagt Audi-Pressesprecher Joachim Cordshagen: „Wir haben nichts zu verschenken.“

Warum muß Gerhard Schröder für seinen Audi bezahlen?

Natürlich nicht. Die revolutionäre Evolution des A8, die sich laut Audi unter anderem in einem „neuentwickelten reibungsarmen Rollenschwinghebel- Ventiltrieb“ und „dem neuen dreistufigen Schaltsaugrohr“ im V8-Motor niederschlägt, muß ja finanziert werden.

Und Schröder kriegt ja auch einiges für sein, besser: unser aller Steuergeld. Denn die „Extras“ am Kanzler-Auto, die Bild der neidischen Öffentlichkeit präsentierte, haben den taz-Prüftest durch den Sicherheitstechnik-Experten Thomas Niederlein mit Bravour überstanden. Schröders Audi läßt Handgranaten abblitzen, kann mit durchgeschossenen Reifen weiterfahren und erlaubt – per verdeckt eingebaute Lautsprecher – Gespräche durch geschlossene Scheiben. „Ein solider, funktioneller Wagen, der den höchsten Sicherheitsbedürfnissen entspricht“, lobt Niederlein, dessen Firma Limousinen für Bankbosse und Ölscheichs hochrüstet. Ein Unterschied zu seinen Stammkunden beeindruckt ihn besonders: „Da ist ja noch nicht mal 'ne Bar und so 'n Schnickschnack drin.“ Das ist die neue Bescheidenheit. Bombensicher. Kerstin Willers