Schröder verwirrt Opposition und Partner

Die Forderung des Kanzlers, deutsche Zahlungen an die EU „in Ordnung zu bringen“, bringt alle in die Zwickmühle: Fischer und Schäuble geben sich eurokritischer als sonst, Gysi findet die EU besser als gedacht  ■ Aus Bonn Bettina Gaus

Nur schwach besetzt war die Pressetribüne beim Auftritt von Außenminister Joschka Fischer in der europapolitischen Debatte des Bundestages. Die neue Regierung ist nicht mehr neu. In gewohnten Bahnen verlief die Aussprache dennoch nicht. Deutlich war zu spüren, daß in der Europapolitik die Konfliktlinien nicht entlang der eingefahrenen Parteigrenzen gezogen sind. Fischer schien in manchen zentralen Fragen mehr mit Unionsfraktionschef Wolfgang Schäuble zu verbinden als mit Bundeskanzler Gerhard Schröder. Dem wiederum scheinen manche kritischen Sätze des bayerische Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) zur EU gut gefallen zu haben.

Der Abschluß der Agenda 2000 zur Reform der Europäischen Union sei das wichtigste Ziel der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 1999, sagte der Kanzler in seiner Regierungserklärung. Besonderes Gewicht legte Schröder auf die Neuordnung der Finanzen: „Ich sage es ganz deutlich: Ohne eine größere Beitragsgerechtigkeit werden sich die Menschen in unserem Land eher von Europa entfernen als ihm weiter zustimmen.“ 1997 habe Deutschland etwa 22 Milliarden Mark netto in die EU eingezahlt. Wenn Länder wie Luxemburg, Dänemark oder Belgien Nettoempfänger seien, die über einen höheren Wohlstand pro Kopf verfügten als Deutschland, „dann ist etwas in Unordnung geraten, was in Ordnung gebracht werden muß“.

Mit dieser Vorlage hatte Schröder es geschafft, die nachfolgenden Redner von gleich drei verschiedenen Parteien in die Zwickmühle zu bringen: Wolfgang Schäuble von der CDU, der diese Argumentation in der Vergangenheit stets abgelehnt hatte, aber mit Blick auf Stoiber da nicht zu deutlich werden durfte. Joschka Fischer von Bündnis 90/Die Grünen war stets gegen Kritik an den deutschen Nettozahlungen gewesen, findet sich aber nun in der Pflicht zur Koalitionstreue wieder. Gregor Gysi von der PDS ist eigentlich Schröders Meinung, wollte das aber nicht so gerne laut sagen, steht doch seine Partei der Europapolitik kritisch gegenüber.

Schäuble richtete das Augenmerk auf eine Bemerkung Schröders auf dem Europa-Parteitag der SPD in Saarbrücken. Dort hatte dieser gesagt, bisher seien Krisen in Europa immer gelöst worden, indem Deutschland sie bezahlt habe. „Sie schaden den deutschen Interessen mit diesem populistischen, unverantwortlichen Gerede“, zürnte Schäuble. „Stoiber!“ kam ein Zwischenruf. Darauf Schäuble: Der bayerische Ministerpräsident rede nie unverantwortlich. Gelächter im Plenum.

„Hören Sie auf, in dieser Frage herumzustoibern!“ rief Gysi dem Kanzler zu. Er nannte es eine „Art Stammtischlogik“, den Eindruck zu erwecken, daß die „armen Deutschen“ Europa finanzierten. Ganz am Rande gab er dann aber doch zu, daß auch er die Lasten in Europa „gerechter“ verteilt sehen will. Fischer versuchte, die Klippe zu umschiffen: „Wir haben die Finanzspielräume nicht mehr, die wir in der Vergangenheit hatten.“ Zum ersten Mal würden „alle“ in der EU etwas „abgeben“ müssen.

Eine Senkung der deutschen Beiträge aber verlangte der Außenminister nicht. Dafür widmete er dem FDP-Politiker Helmut Haussmann viele kritische Sätze. Der hatte gefordert, die EU-Beitrittskandidaten müßten die „Sicherheit“ ihrer Mitgliedschaft bis zum Jahre 2002 haben, wenn sie bis dahin bestimmte Voraussetzungen erfüllt hätten. So etwas zu versprechen wäre „zutiefst unseriös“, meinte Fischer. Auch der Kanzler hatte darauf hingewiesen, daß man erst am Beginn eines „hochkomplizierten Verhandlungsprozesses“ stehe. Deutschland werde aber „ein verläßlicher Anwalt der Erweiterung sein“. Das wiederum bezweifelt Schäuble: „Sie haben Vertrauen zerstört, auch bei unseren Nachbarn“, warf er Schröder vor, weil die neue Regierung kein konkretes Beitrittsdatum für die neuen Mitglieder nennen will. Beim Thema EU-Erweiterung stimmten sie dann wieder, die alten Parteilinien.