BMW droht allen mit Kündigung

Heute müssen die britischen Rover-Arbeiter einem sehr flexiblen Lohnmodell zustimmen, sonst schließen die Bayern vier Werke. BMW-Chef Pischetsrieder als Retter  ■ Von Ralf Sotscheck

Dublin (taz) – 37.000 Rover-Arbeiter müssen heute zwischen Revolution und Entlassung wählen. Stimmen sie dem „revolutionären Deal“, wie Gewerkschaftsboß Tony Woodley es bezeichnete, nicht zu, will BMW die vier britischen Rover-Niederlassungen dichtmachen, von denen das Longbridge-Werk in den West Midlands am unproduktivsten ist.

Das Abkommen zwischen der Rover-Geschäftsführung, den Gewerkschaften und dem BMW- Aufsichtsrat soll das ändern, mindestens 150 Millionen Pfund (415 Millionen Mark) im Jahr will man einsparen. Das Paket hat es in sich: 2.400 Arbeiter sollen abgefunden und entlassen werden, die Löhne, durchschnittlich 16.000 Pfund im Jahr, werden eingefroren, Urlaubsgeld wird gestrichen, und einer der Lohn-Eckpfeiler der britischen Autoindustrie soll verschwinden: die Überstunden. Das heißt, sie verschwinden nur auf der Lohnabrechnung. Die Arbeiter müssen bis zu sieben Stunden pro Woche Überstunden leisten, die sie später abbummeln können. Nur was darüber hinaus anfällt, wird bezahlt.

In zwei Jahren, wenn Rover die 35-Stunden-Woche einführt, werden zwar nach wie vor 37 Stunden bezahlt, doch das Unternehmen schreibt sich die beiden Stunden gut und kann sie jederzeit abrufen, falls es die Produktion erfordert. „Flexibilität“, so heißt das Zauberwort, das Rover retten soll.

Um die Arbeiter von der Notwendigkeit der Maßnahmen zu überzeugen, fanden seit vorigem Freitag Belegschaftsversammlungen der Rover-Werke im Nationalen Ausstellungszentrum in Birmingham statt. „Rover ist technisch bankrott“, sagte Gewerkschafter Woodley, der von den Arbeitern ausgepfiffen wurde. „Wir machen 600 Millionen Pfund Verlust in diesem Jahr. BMW ist nicht in diesem Geschäft, um Autos zu machen, sondern um Geld zu machen.“ Der nächtelang ausgehandelte Deal sei ein Durchbruch, behauptete er. „Wenn wir noch British Aerospace gehören würden, wäre Rover längst weg.“

Es ist zwar zu erwarten, daß die Belegschaft das Paket mit deutlicher Mehrheit annehmen wird, da sie gar keine andere Wahl hat, aber bei den Versammlungen in Birmingham wurde klar, daß die Begeisterung dafür bei den verschiedenen Werken schwankt. Die Arbeiter aus dem Solihull-Werk, wo die Land-Rover hergestellt werden, sahen nicht ein, warum sie auf ihre lukrativen Überstunden verzichten sollen, um Longbridge zum Überleben zu verhelfen. Die Geschäftsführung und die Gewerkschaft betonten jedoch, es gehe um das ganze Unternehmen. „Es gibt Leute im BMW-Aufsichtsrat“, sagte Woodley, „die die Produktion der Land-Rover ins Ausland verlegen möchten.“

Die Chefs in München hatten bereits mit sechs zu eins Stimmen für die Schließung des Longbridge- Werkes gestimmt, doch Bernd Pischetsrieder setzte sich mit seinem Rettungsplan durch. Woodley sang ein Loblied auf den BMW- Chef: „Pischetsrieder hat seinen Ruf und seinen Job riskiert, um die breite Rover-Produktpalette zu erhalten. Seinen Worten läßt er nun Taten folgen.“

In Longbridge wird der Mini sowie die Auslaufmodelle Rover 200 und 400 hergestellt. Darüber hinaus baue Rover seine Autos nicht nach den hohen BMW-Qualitätsansprüchen, sondern nach den niedrigeren japanischen der Marke Honda, die mit Rover eng zusammengearbeitet hatte, bevor BMW die Firma vor vier Jahren übernahm, hieß es aus der Konzernzentrale.