Versteckt, enthüllt und vorgeführt

■ Eine Ausstellung in der NGBK und bei shift unternimmt einen Gang durch die ganz verschiedenen Felder der Portraitfotografie

Versteckte Kamera oder voll draufhalten. So richtig nett ist beides nicht. Aber für den Betrachter von Filmen dieser Art ist es doch immer wieder schön, den Exhibitionismus oder die Macken anderer Erdenbewohner zu belächeln. Voll draufhalten: Rineke Dijkstra (NL) und Gitte Villesen (DK) sind zu Orten gezogen, wo sich junge Menschen vergnügen. Sie haben sich einzelne Personen herausgepickt, die der Videokamera lange standhielten. Sie werden vorgeführt, aber nur so weit sie mitgehen. Durch ihr Verhalten vor der Kamera spiegeln die Personen mindestens genauso intensiv ihre Umgebung wie ihr Innenleben.

Versteckte Kamera: Tracy Moffat (AUS) hat australische Surfer beim Umkleiden an ihrem Auto beobachtet, Neil Goldberg (USA) Ladeninhaber beim Hochziehen ihrer Rolläden. Die Verrenkungen sind öffentlich und wirken repräsentativ. Über die Individuen erfährt man nichts.

Die Ausstellung „Fleeting Portraits - Flüchtige Portraits I + II“ des RealismusStudios der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst in Zusammenarbeit mit shift e.V. ist sehr ehrgeizig. Annonciert werden ein Dutzend teils namhafte Künstler, ein Katalog mit Texten zum Portrait in bildender Kunst, Literatur, Film, Musik sowie begleitende CD-ROM (Ausschnitte aus den Videoarbeiten). Und mit jedem neuen Aspekt vertieft sich der Eindruck, daß hier eine „Fleeting exhibition“ entstanden ist.

Am besten konzentriert man sich auf die einzelnen Werke. Denn es gibt viel zu entdecken. Bei den Videoarbeiten bilden sich aus Bildern und Musik Rhythmen und Stimmungen, die sich dem theoretischen Diskurs zu entziehen wissen. Das trifft vor allem auf Dijkstras Jugendliche aus dem Techno- Night-Club und die Passanten vor Neil Goldbergs Kamera zu. Diese werden gebeten, ihren aktuellen Standort aufzusagen, was wegen der New Yorker Straßennumerierung wie Nummernsalat klingt. Vier Fernseher im Block lassen in unterschiedlicher Schnittgeschwindigkeit die Endlosschleifen durchrattern.

Bei Stefan Zeyen (Berlin) wird die Aufmerksamkeit auf Details der Körpersprache gelenkt, die ein Eigenleben antreten: Aus dem Raum, den die Interviewten mit ihrer Gestik umschreiben, entstehen virtuelle Skulpturen. Während der gezeigten Interviews entwickelt sich, trotz sehr unterschiedlicher Charaktere, am Ende doch immer fast das gleiche Gebilde.

Die Integration der traditionellen Medien wirft mehr Fragen auf, als daß sie der Ausstellung auf die Sprünge hilft. Bruno Jacob (Schweiz) malt mit Wasser ohne Pigmente, energetischer Strahlung und Gedankenkonzentration. Der größte Ausstellungsraum wird seinen reduzierten Werken zur Bühne, und mit seiner Leere lädt er laut Katalog „eine große Verantwortung auf den Betrachter“. Dies gilt wohl auch für das Paraffin-Architekturmodell von Renate Herter und die „Szene“-Glaswände von Bernhard Striebel (beide Berlin). Letztere sind als Raumportraits entworfen und dominieren den Hauptraum bei shift. Das sind irgendwie auch Portraits.

Nicht lange ist es her, daß im Künstlerhaus Bethanien die KünstlerInnen-Portraits des museum in progress (Wien und Bregenz) zu sehen waren. Da wurde deutlich, daß das Portrait in den elektronischen Medien lebt. Und auch in der Fotografie und in anderen Medien gibt es zahlreiche Beispiele ganz anderer Auffassungen von Portrait. Die Ausstellung „Fleeting Portraits“ kann also als nur ein Beispiel gelten. Nicht mehr und nicht weniger. Dem Anspruch, „sich einerseits mit dem traditionellen Genre des Portraits und seiner zeitgenössischen Formulierung und andererseits mit akademisch vermittelten Traditionen und widerständigem Handeln dagegen“ auseinanderzusetzen (Frank Wagner), kann sie nicht gerecht werden. Vielleicht waren auch einfach die Erwartungen zu hoch. Wie beim armen Peter Land (DK), der in der Videoarbeit „Step Ladder Blues“ zu Klängen von Richard Wagner immer wieder von der Leiter purzelt. Sebastian Schwarzenberger

Bis 10.1., tägl. von 12 bis 18.30 Uhr, NGBK, Oranienstr. 25; und von Do. bis So., 14 bis 19 Uhr im shift e.V., Friedrichstr. 122/123