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„Ich sitze hier und weiß nicht, was ich tun soll“

Telekom-Radprofi Bjarne Riis hat Probleme, mit einem Dopingvorwurf umzugehen. Er sagt zwar, er habe nicht gedopt, weigert sich aber, medizinische Protokolle zu seiner Entlastung vorzuweisen  ■ Aus Palma de Mallorca Mirjam Fischer

Sowieso, so scheint es manchmal, ist Bjarne Riis einer, der zum Lachen lieber in den Keller geht. Grundsätzlich. So hat es Clint Eastwood immer gehalten, so grantelt eben auch der dänische Tour-de-France-Sieger von 1996. Und derzeit würde sich Riis schon gar nicht entblöden, auch nur ein müdes Lächeln auf sein schmollendes Gesicht zu zaubern. Erst recht nicht, solange der Mann auf seinem Weg vom Aufzug Parterre über die Treppe zur Sauna ins Untergeschoß auch nur einem popeligen Journalisten begegnen könnte.

Das Dumme an der Sache ist: Der Saunagang führt unweigerlich durch die Hotellobby über die Treppe in den Keller – da hat sich der Architekt des mehrstöckigen Betonbunkers etwas einfallen lassen. Noch dümmer: Die Empfangshalle des mallorquinischen Luxusschuppens, in dem das Team Deutsche Telekom diesmal sein Trainingslager aufgeschlagen hat, ist seit Tagen vollgestopft mit Presseleuten. Und das Dümmste für Bjarne Riis: Selbst Telekom-Star Jan Ullrich ist derzeit eher obsolet – alle wollen Riis.

Nun ja, niemand will ihn unbedingt nicht lachen sehen, aber: „Ich bin ein Spielzeug für die Presse – die Journalisten profilieren sich auf meine Kosten“, sagte Riis am Mittwoch abend auf einer außerordentlichen Pressekonferenz. Jetzt ist die Laune auf Mallorca endgültig versaut. Ob nach zwei kühlen Regentagen und Trainingseinheiten bei mickrigen acht Grad Celcius nun wieder die Sonne scheint oder nicht.

Schuld ist das dänische Fernsehen. Riis (34) habe dereinst mit verbotenen Mitteln gesündigt, behauptete man diese Woche beim öffentlich-rechtlichen Sender DR TV. Zumindest noch 1995 habe der dänische Radsport-Nationalheld, damals beim italienischen Rennstall Gewiss-Ballan unter Vertrag, mit dem künstlich hergestellten leistungssteigernden Hormon Erythropoietin (EPO) nachgeholfen und schließlich ein Jahr später für Telekom die Tour de France gewonnen.

Seither stellt sich die Frage: Was ist dran an der Sache? Leere Ampullen mit EPO-Resten, gefilmt bei der Dänemark-Rundfahrt vor vier Jahren, in einem x-beliebigen Hotelzimmer, angeblich das eines damaligen Gewiss-Ballan-Masseurs. Dazu ein dubioses handgeschriebenes Dokument, dessen Quelle als bombensicher gelten soll und das belegen will, daß Riis' Blutwerte 1995 eindeutig einen erhöhten Hämatokritwert aufzeigten, was seit 1997 als zumindest deutliches Indiz für die Einnahme von EPO gilt.

Und noch ein Hotelzimmer voller EPO-Spritzen spielte eine Rolle: Es soll das des damaligen belgischen Telekom-Masseurs Jeff d'Hont bei der 95er Vuelta gewesen sein. Der hatte bisher weder dementiert noch bestätigt, daß es sein Zimmer nicht war oder doch war. D'Hont arbeitet inzwischen für die französische Mannschaft La Française des Jeux und saß im Zuge der Ermittlungen zum Dopingskandal der vergangenen Tour de France ebenfalls kurzzeitig in Lille in Untersuchungshaft. Entlassen auf Kaution und Bewährung.

„Und ich sitze hier auf Mallorca und weiß nicht, was ich tun soll“, sagt Riis: „Alles, was ich sagen kann und will: Ich war nie gedopt. Und alles, was ich hier und jetzt feststellen möchte, ist: Ich bin gegen Doping.“ Und nun weigert sich Riis standhaft, jene medizinischen Protokolle zu veröffentlichen, die seit seinem Wechsel 1996 zu Telekom am sportmedizinischen Institut der Uniklinik Freiburg archiviert sind. „Ich kenne seine Werte – da gab es absolut keine Ausreißer“, sagte Teamarzt Lothar Heinrich: „Aber es ist indiskutabel, daß wir jetzt von jedem einzelnen Sportler Akten veröffentlichen.“

Juristisch hat der Mann recht: Riis ist nicht verpflichtet, seine Unschuld zu beweisen. Wer anklagt, hat die Beweise zu führen. Kann DR TV das? Reporter eines konkurrierenden dänischen Fernsehsenders wollen erfahren haben, davon könne in nächster Zeit nicht die Rede sein: Gerüchten zufolge erwäge DR TV, die Dopingvorwürfe zurückzuziehen, weil nicht alle Informanten mehr willig sein sollen, mitzuspielen.

Es fragt sich nur, ob Riis einerseits nicht besser beraten wäre, offenzulegen, was er offenlegen kann, um sich zu entlasten. Für die Zeit bei Telekom zumindest. Wie hatte Pressesprecher Mathias Schumann gesagt: „Was sollen wir uns in eine Zeit einmischen, die vor Telekom liegt? Uns interessiert Telekom, und unsere Fahrer sind sauber.“

Andererseits ist es aus Riis' Sicht nicht unbedingt einzusehen, aufgrund einer bisher unfundierten Anschuldigung aus sich einen Hampelmann machen zu lassen. Ob der Radsport nun unter Generalverdacht steht oder nicht: Muß deshalb jeder Rennfahrer jedes Recht auf Intim- und Privatsphäre aufgeben? Glauben würde Riis auch keiner, wenn er seine Zahlen veröffentlichte. Schon gar nicht, wo der Mannschaftsarzt die Untersuchungen durchgeführt hat.

Und deshalb lächelt der Däne jetzt erst recht nicht mehr. Und will nur noch eines: auf Mallorca in Ruhe weitertrainieren für die Tour de France im kommenden Juli. Wie seine zehn Kollegen, die Teamchef Walter Godefroot bis zum 24. Januar mit Tour-Kapitän Jan Ullrich ebenfalls auf die spanische Insel geschickt hat. Der Rest des Haufens quält sich derzeit zusammen mit Telekom-Sprinter Erik Zabel unter der sengenden australischen Sonne über den heißen Asphalt und durch erste Rennen. Geübt wird Downunder für die Frühjahrsklassiker.

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