Wenn Panzer zu viele Dollars fressen

Mit höheren Verteidigungsausgaben will Präsident Clinton seine Soldaten befriedigen – und ganz nebenbei den Kongreß. Die US-Abgeordneten sind längst Teil des „militärisch-industriellen Komplexes“  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Kein Wunder, daß die US- Army Geldsorgen hat. Der supermoderne Panzer „M1-A2“ verbraucht etwa 400 Liter Sprit auf 100 Kilometer, sein Einsatz kostet 2.000 Dollar pro Stunde. Wenn eine Einheit in Kompaniestärke mit 14 Panzern ausrückt, kostet das also stündlich 28.000 Dollar. Ein Manöver in Bataillonsstärke verschlingt 84.000 Dollar die Stunde, der Einsatz einer ganzen Brigade eine Viertelmillion. Nach einer Berechnung zweier Wissenschaftler vom „Massachusetts Institute of Technology“ sind gerade ein Fünftel der 11.000 Panzer der USA aktiven Einheiten zugewiesen; der Rest ist eingemottet oder wird ausgeschlachtet, weil es an Geld für Ersatzteile fehlt. Ältere Modelle wurden in den Golf von Mexiko versenkt, um Korallenriffen Halt zu bieten, oder an Brasilien und Kuwait verschenkt.

Kein Wunder auch, daß die US- Army Mannschaftssorgen hat. Da die Arbeitslosigkeit in den USA 4,5 Prozent beträgt – regional liegt sie sogar unter 1 Prozent – bietet die freie Wirtschaft vor allem im High-Tech-Sektor derzeit attraktivere Gehälter für Berufseinsteiger als das Militär. Der Sold liegt um 14 Prozent niedriger als Löhne und Gehälter für vergleichbare zivile Tätigkeiten.

Nun will Clinton helfen. Nach dem Ende des Kalten Krieges senkten die USA Jahr für Jahr Verteidigungsausgaben und Mannschaftsstärken, während der Waffenpark modernisiert und ausgeweitet wurde. Immer noch verschlang das Pentagon trotz Kürzungen letztes Jahr 250 Milliarden Dollar – ein Drittel der weltweiten Verteidigungsausgaben. Im Haushaltsjahr 2000 sollen die Verteidigungsausgaben jetzt erstmals wieder steigen: um 12 Milliarden Dollar.

Das Pentagon wollte mehr. Es macht geltend, daß es an allen Ecken und Enden an Ersatzteilen und Geld fehlt, von Mitteln zu Neuanschaffungen ganz zu schweigen. Nach Darstellung solcher Kritiker wie William Greider, der letztes Jahr unter dem Titel „Festung Amerika“ ein kritisches Buch über Amerikas Überrüstung vorlegte, ist das Problem des Militärs aber die Konzentration des Pentagon auf Beschaffung und die Unfähigkeit von Politik und Militär, die Aufgabe der US-Streitkräfte nach dem Ende des Kalten Krieges neu zu definieren.

Entwicklung und Bau der 100 „B1“-Bomber kosteten die US- Armee zum Beispiel einige hundert Milliarden Dollar. Als die teure Waffe fertig war, war der Kalte Krieg vorbei. Für bisher nicht bekanntgegebene Summen wurde das Flugzeug, das Atombomben tief in sowjetisches Territorium tragen sollte, umgerüstet. Im Golfkrieg wurde es aber auch nicht eingesetzt. Wartung und Unterhaltung des Bombers sind so teuer, daß 27 der teuren Vögel wieder eingemottet wurden. Gleichwohl haben Strategen im Pentagon ihre Forderung nach der Entwicklung des „B2“-Bombers nicht aufgegeben, der zwei Milliarden Dollar das Stück kosten soll und dessen Überflüssigkeit fünf verschiedene Studien bestätigt haben. Und der B2 ist nur eines von vielen teuren Beschaffungsprojekten, mit denen das Pentagon liebäugelt.

Da auch die jetzt von Clinton vorgeschlagene Steigerung der Verteidigungsausgaben um 110 Milliarden Dollar über die nächsten sechs Jahre nicht gleichzeitig Amerikas Rüstungspark unterhalten, den Sold erhöhen und noch andere neue Wunderwaffen wie den F-22-Jäger und den Seeadler- Hubschrauber bezahlen kann, schlägt Clinton gleichzeitig die Schließung weiterer Militärbasen vor. Seit 1989 wurden schon 97 Militärbasen entweder geschlossen oder zur Schließung vorgemerkt, jeweils gegen heftigen Widerstand der Abgeordneten und Senatoren, in deren Wahlkreisen sich die Einrichtungen befinden. So ist Fort Hood mit Ausgaben von 2 Milliarden Dollar jährlich das größte Unternehmen im Bundesstaat Texas. Wie Clinton noch mehr Militäreinrichtungen schließen will, wo der Kongreß seine letztes Jahr beantragte Schließung von Basen nicht einmal zu debattieren gewillt war, ist sein Geheimnis.

Schon 1960 beschwor der General und scheidende Präsident Eisenhower die Gefahren der „Konstellation aus einem immensen militärischen Apparat und einer gewaltigen Waffenindustrie“. Er warnte: „In den Räten und Parlamenten unserer Regierung müssen wir wachsam sein gegen den wachsenden Einfluß dieses militärisch- industriellen Komplexes. Von ihm geht die drohende Gefahr einer unkontrollierten Macht aus.“

Nach Auffassung William Greiders ist dieser „Komplex“ inzwischen zum „Eisernen Dreieck“ aus Rüstungsindustrie, Militär und Parlament ausgewachsen. Im Parlament selbst sitzen jene, die militärische Einrichtungen erhalten wollen, weil von ihnen Arbeitsplätze, Wahlkampfspenden und Wählerstimmen abhängen. Abgeordnete schrieben in den letzten Verteidigungshaushalt ein Dutzend Projekte hinein, gegen die sich das Pentagon mit Händen und Füßen gewehrt hatte.