Im Geräuschesteinbruch arbeiten

Mehr Geschmeidigkeit, weniger stereotypes Experimentieren: Beim zweiten „Festival der Etwas Anderen Musik“ gibt es Sounds, die im weiten Hörfeld von Ambient, Nobient und Uneasy Listening angesiedelt sind  ■ Von Björn Gottstein

Die Geschichte der gegenseitigen Annäherung von klassischen, poporientierten und improvisierten Musikkonzepten zieht sich so zäh wie Kaugummi. John Cages Bemerkung, an einer Brian-Eno-Platte hätten ihm die Momente der Stille gefallen, nicht so sehr, was zwischen diesen Momenten passiere, das zeugte noch zu Beginn der Achtziger von Zurückhaltung, Aufgeschlossenheit und Berührungsängsten zugleich.

Erst im vergangenen Jahrzehnt hat sich eine funktionierende Schnittstelle zwischen den vormals sorgfältig getrennten Bereichen hinreichend etabliert. Nicht zuletzt in Berlin brachten Institutionen wie die „Echtzeitmusiktage“ Mitte der Neunziger ein MusikerInnen- Gemenge in Position, das bestehende Genregrenzen in eleganter Mühelosigkeit auflöste.

Die Ergebnisse präsentierten sich einerseits ambitioniert, andererseits unprätentiös; und sie demonstrierten eine Ernsthaftigkeit, die schnöde Stilelemente wie beispielsweise einen Beat nicht gleich als anbiederndes Hipstertum verstehen ließ. Das „Festival der Etwas Anderen Musik“ – vor der leider etwas fahrlässigen Abgeschmacktheit des Namens mag man wohlwollend die Augen schließen – konnte sich im vergangenen Jahr als weitere tragfähige Plattform dieser im besten Sinne des Wortes crossovernden Sphäre in Szene setzen. An diesem Wochenende – und somit in sinnfälliger, leider aber unwünschenswerter Konkurrenz zu „Berlin atonal“ – geht das Festival jetzt in seiner zweiten Auflage an den Start.

Die teilnehmenden MusikerInnen/Bands/Ensembles rekrutieren sich dabei vornehmlich aus dem engeren Umfeld des veranstaltenden Labels „Edition Zangi“: Da scharen sich Menschen wie Michael Renkel, Burkhard Beins oder Joe Williamson um das konventionelle Arsenal von Gitarre, Schlagzeug und Baß und versuchen eine an diese Instrumente geknüpfte Erwartungshaltung auszukontern.

Und da ist eine zweite Fraktion mit Ignaz Schick, Ole Jarchov und Harri Ansorge um das experimentierverbissene Steuern und Regeln von elektronischen Klangerzeugern bemüht. Zwei verschiedene Ausgangspositionen also, die in einzelnen Konzerten allerdings immer wieder zusammengeführt und aneinander angeglichen werden.

Die instrumentale und die elektronische „Etwas Andere Musik“ verbindet dabei durchaus ein gemeinsamer Sound. An vielen Stellen kann sich dieser zwar nicht den stereotypen Gestus des Experimentellen verkneifen. Doch er verzichtet nicht mutwillig auf Wohlklang, klingt oft geschmeidig und verbreitet so auch manche ambienthafte Stimmung. Am besten könnte man dieses nachdrückliche Arbeiten mit Geräuschmaterial „postindustrial“ nennen. Nicht unpassend versteht sich die Gruppe Perlon als Uneasy-Listening-/Nobientensemble: Sie grenzt sich von Ambient- und Easy-Listening- Sounds ab und nutzt diese gleichzeitig als mögliche Bezugspunkte. Hier sind keine glatt produzierten Soundoberflächen zu hören, sondern eine Musik, die in ihrer ausdifferenzierten Feinmotorik die Bitte um ungeteilte Aufmerksamkeit enthält.

Auch für Cineasten dürfte etwas dabei sein

Das Konzert des Samstag abend verdient wohl einen besonderen Vermerk: Mit Ignaz Schick (electronics) und Andrea Neumann (inside piano) als „Petit Pale Rosa“ klettern zwei der sicher hartnäckigsten ExponentInnen der jungen experimentellen Schule auf die Bühne des Meinblau; die gleichzeitige Vorführung von surrealistischen und dadaistischen Filmen wie René Clairs „Entr' acte“ (1924) oder Man Rays „L' étoile de mer“ (1928) dürfte auch CineastInnen auf ihre Kosten kommen lassen.

15. 1. ab 21 Uhr Perlon, Ole Jarchov, im „NY“, Voigtstraße 7/8

16. 1. ab 17 Uhr: Activity Center, ab 22 Uhr: Petit Pale Rosa, Martin Kirchbach, im Meinblau, Christinenstraße 18/19

17. 1. ab 17 Uhr Joe Williamson & 22 Uhr: Odradek Distortion, Harry Ansorge, im „NY“