Unterschriftenaktion der Union: Selbst die CSU ist kein monolithischer Block

■ Der türkischstämmige Ramazan Özdemir ist CSU-Mitglied und gegen die Unterschriftenaktion seiner Partei. Damit steht er nicht allein

Nürnberg (taz) – „Ich werde nicht unterschreiben und auch keine Unterschriften sammeln.“ Ramazan Özdemir kommt aus der Türkei, lebt seit 1977 in Nürnberg und lehnt die Unterschriftenaktion der Union gegen die doppelte Staatsbürgerschaft strikt ab – und Ramazan Özdemir ist aktives Mitglied der CSU. Er hält die hauptsächlich von den führenden Köpfen seiner Partei vorangetriebene Aktion für „nicht fair“, weil der Eindruck entstehe, sie richte sich „gegen uns Türken“.

Özdemir freut sich, daß er mit seiner Position in der Partei nicht alleine steht. Wenn es zur Debatte beim CSU-Parteitag morgen in München kommt, wollen einige Mandatsträger dies auch deutlich machen. Der 32jährige Ramazan Özdemir wird jedoch nicht dabeisein. Das Mitglied des CSU-Vorstands im Nürnberger Stadtteil Johannis und verschiedener Gremien der Jungen Union ist kein Delegierter.

Als seine Eltern 1970 nach Deutschland gingen, blieb er zunächst bei den Großeltern in der Türkei. Nach dem Abschluß der vierten Klasse holten die Eltern den damals Zehnjährigen zu sich nach Deutschland. „Das war nicht leicht am Anfang“, erinnert sich Özdemir. Doch er lernte schnell die neue Sprache und begann später ein Fachhochschulstudium zum Maschinenbauingenieur. „Zum Abschluß reichte es nicht ganz.“ Derzeit arbeitet er als angestellter Techniker bei einer Nürnberger Fotofirma, ist verheiratet und hat zwei Kinder im Alter von zehn und vier Jahren.

Özdemir ist ein politisch interessierter Mensch. Sieben Jahre lang arbeitete er im Nürnberger Ausländerbeirat mit, doch er wollte sich mehr einmischen. 1992 stellte er als erster Türke in Nürnberg einen Gastantrag bei der CSU, als Nichtdeutscher war ihm eine Mitgliedschaft verwehrt. „Ich bin von Hause aus ein konservativer, liberaler Mensch“, betont Özdemir. „Das C steht für ein christliches Menschenbild, das moslemische unterscheidet sich nicht allzu sehr davon.“

1994 entschied er sich, die türkische Staatsbürgerschaft abzulegen und die deutsche zu beantragen. Seitdem ist er CSU-Vollmitglied – und Deutscher. „Meine Eltern bleiben hier, ich bleibe hier, meine Kinder sind hier geboren, in die Türkei fahren wir nur noch in Urlaub, für mich war das also nicht mehr als ein Etikettenwechsel“, betont er. Er räumt jedoch ein, daß dieser Schritt für viele seiner Landsleute eine unüberwindliche Hürde darstellt. „Eine doppelte Staatsbürgerschaft könnte vielen Türken, vor allem aus der ersten Einwanderergeneration, die Einbürgerung und damit das Leben hier vor Ort erleichtern.“ Genau deswegen ist Özdemir auch gegen das strikte Nein, das seine Partei für die doppelte Staatsbürgerschaft übrig hat.

Als letzten Sonntag einige JU- Aktivisten, mit dem bayerischen Chef und Landtagsabgeordneten Markus Söder an der Spitze, der Einladung des Islamischen Kulturzentrums zum abendlichen Ramadan-Fastenbrechen in die Nürnberger Moschee folgten, fand das Parteifreund Özdemir wenig glaubwürdig. „Zu Söder sage ich lieber gar nichts“, betont er, denn der hat schon länger als Hardliner in der Ausländerpolitik negativ auf sich aufmerksam gemacht. Auch bei der Unterschriftensammlung steht Söder an vorderster Front und wischt alle Bedenken dagegen vom Tisch: „Bei uns gibt es dazu keine abweichenden Meinungen.“

Die gibt es. Fast täglich wächst die Zahl parteiinterner Bedenkenträger, vor allem seit der bayerische evangelische Landesbischof Hermann von Loewenich und sein katholischer Kollege Bernhard Sutor der CSU vorwarfen, mit ihrer Aktion „das öffentliche Klima anzuheizen“. Der Ansbacher Landtagsabgeordnete Josef Göppel, in der Umweltpolitik häufig ein CSU-Quertreiber, der frühere bayerische Innenminister Bruno Merk oder der Neu-Ulmer Landrat Erich-Josef Geßner warnten zuletzt in verschiedenen Zeitungen vor der Gefahr, daß man die Geister, die man ruft, „am Ende nicht mehr los werden“ könne. Merk hält es für untragbar, daß bei der CSU von oben eine Entscheidung vorgegeben werde und man dann „vom Parteivolk Solidarität“ erwarte.

Die will jedenfalls Ramazan Özdemir, wenn es um das Sammeln der Unterschriften geht, nicht leisten. Er, der schon in Wildbad Kreuth, wo die CSU bei ihrer Klausurtagung das Thema vorantrieb, über die Lage der Türken in Deutschland referiert hatte, will jedoch die Partei „auf keinen Fall“ verlassen. „Ich weiß, daß man eine konservative Partei nicht so schnell ändert, aber einen Rückzieher mache ich deshalb nicht.“ Bernd Siegler