„Grün wird auf Steuervereinfachungen drängen“

■ Rot-Grün will noch 1999 Gesetze zur Unternehmenssteuer und zur Familienentlastung vorlegen. Dabei soll auch das komplizierte Steuerrecht entrümpelt werden, so der grüne Steuerexperte Müller

taz: Sie haben am ersten Steuerpaket von Rot-Grün mit geschnürt. Erfolg gehabt?

Klaus Müller: Ja, aber das Streichen von Schlupflöchern im Steuerrecht ist in der Praxis viel schwieriger als auf einem Parteitag. Alle Achtung vor den Lobbyisten. Die wissen, wie man gezielt eingreift.

70 Subventionen oder Steuererleichterungen sollten wegfallen. Wieviel haben die Lobbyisten übriggelassen?

65 sind immerhin geblieben. Nachgegeben haben wir beim Schulgeld. Das ist weiter absetzbar. Auch zugunsten von Landwirtschaft und Mittelstand gab es Veränderungen. Dafür haben wir die Tricksereien bei der Mindestbesteuerung stärker unterbunden.

Inwiefern?

Bisher war es Leuten mit mehreren Einkünften möglich, Verluste und Gewinne aus verschiedenen Geschäften so querzurechnen, daß sie oft überhaupt keine Steuern mehr zahlen mußten.

54 Milliarden Mark an Mehreinnahmen sollten durch Ihre Subventionsstreichungen erzielt werden. Wieviel werden es nun sein?

42 Milliarden Mark – in der Legislaturperiode bis 2002.

Was kostet das den Steuerzahler 1999 im einzelnen?

Das kommt auf die Situation an. Der normale Steuerzahler wird entlastet: über die Erhöhung des Kindergeldes, über die Verminderung des Eingangssteuersatzes und einen größeren Grundfreibetrag. Wir begünstigen die durchschnittlichen Arbeitnehmer mit Kindern. Und nehmen es von jenen, die sich bisher künstlich arm rechnen konnten – über ganz legale Abschreibungstricks.

Was gibt Ihnen die Sicherheit, daß die 42 Milliarden Mark wirklich hereinkommen?

In den letzten vier, fünf Jahren hatten wir einen dramatischen Einbruch bei der Einkommenssteuer. Weil sich viele Leute etwa über Abschreibungsmodelle ihre Einkünfte heruntergerechnet haben. Das haben wir abgeschafft – und damit die Steuererleichterungen für Eltern gegenfinanziert.

Trotzdem: Niemand gibt Ihnen die Sicherheit, wieviel Geld tatsächlich in die Staatskasse fließt.

Ich bin sicher, daß die Länder, die im Bundesrat zustimmen müssen, das genau ausrechnen werden.

Rot-Grün hatte eine Steuerreform versprochen. Grün wollte zusätzlich eine Steuervereinfachung erreichen. Daraus ist nun nichts geworden.

Es gibt immer ein lachendes und ein weinendes Auge. Wir sind nicht in allen Punkten zu einer Steuervereinfachung gekommen. Gleichzeitig haben wir auf die ganz großen Klopper verzichtet – etwa die komplizierte Kappung des Ehegattensplittings.

Bei der Ökosteuer gibt es viele Kritiker, die sagen, daß es viel komplizierter wird.

Zum ersten Mal in der Steuergeschichte der Bundesrepublik haben wir einen Paradigmenwechsel erreicht: Arbeit wird billiger, Energieverbrauch teurer. Der Vorwurf, es werde komplizierter, rührt daher, daß es Sonderregelungen für energieintensive Unternehmen geben muß. Wir wollten keinen Betrieb aus dem Land treiben und keine Arbeitsplätze vernichten. Das macht die Sache nicht einfacher.

Und rechtfertigt eine Komplizierung?

Es rechtfertigt eine differenzierte Lösung, und die ist leider kompliziert.

Das Maximum an Umständlichkeit ist noch nicht erreicht. Rot-Grün plant weitere Steuergesetze.

Die für dieses Jahr angekündigte Unternehmenssteuerreform und die Familienentlastung werden Vereinfachungen bringen. Darauf wird Grün drängen.

Was, wenn der Lobbyeinfluß wieder ein Steuerknäuel daraus macht?

Die Unternehmen wollen wir künftig unabhängig von ihrer Rechtsform besteuern. Dann zahlen alle 35 Prozent – was eine erhebliche Vereinfachung ist.

Bei der Familienentlastung haben Sie wieder das komplizierte Ehegattensplitting vor sich.

Ja, aber wir werden viele verstreute Freibeträge für Kinder oder Erziehung zu einem Grundfreibetrag zusammenführen. Das Verfassungsgericht hat zum ersten Mal den Auftrag erteilt, daß die Regelung klar und einfach sein soll. Diese Mahnung hilft uns. Interview: Christian Füller