■ Berlinalie
: Kanzlerworte

Der Kanzler also. Weil Michael Naumann sich die Berlinale großartiger wünscht, mußte Schröder zur Eröffnung ran. Von Staats wegen gibt es nun Kultur, Galas und Cohibas statt Pausensnacks bei Vogts in der Umkleidekabine. So sehen Wenden aus: Während der deutsche Fußball darniederliegt, liebäugelt die neue Regierung mit der Filmbranche. Fragt sich, wem's nützt – beide haben derzeit rückläufige Zahlen. Schröder jedenfalls könnte eine ordentliche Presse vertragen. Weshalb ein paar Dutzend Zusatzjournalisten eingeladen waren, die Kanzler-Bonmots mitschreiben sollten. Dabei gibt es auf Veranstaltungen, zu denen sich selbst Zwanzigjährige mit Lavendel einparfümieren, erfahrungsgemäß nur wenig zu lachen. Eher schon tapst man verlegen auf dem Saum von Irm Herrmanns Abendrobe rum oder quetscht sich am superdicken Peter Kern vorbei. Von oben kann man auf Schilys Kopf mit den angenagelten Beatnik-Haaren starren – in seiner graumelierten Aufgedunsenheit sieht der Mann Blixa Bargeld live noch ähnlicher als im Fernsehen. Dagegen ist Schröder dezent schwarz übergefärbt, trägt den Anzug nachtblau und stürmt energisch ans Mikrofon. Der erste Kalauer: Naumann hätte ihm zwar eine Rede formuliert, die aber nicht mehr ins Sakko gepaßt hätte: „Sie müssen also mit Schröder pur vorliebnehmen“. Sein Thema ist auch gar nicht Film, sondern die Bedeutung Deutschlands als „Berliner Republik“, die er sich „selbstbewußt, aber nicht überheblich“ wünscht. Für den Film möchte Schröder bessere Bedingungen schaffen, damit jeder merkt, „daß das kein rausgeschmissenes Geld ist“. Deshalb sitzt auch der Innenminister, bislang für Filmförderung zuständig, eine Reihe hinter Naumann. Dann sagt Schröder noch, daß er gleich nach Washington muß, ohne die Premiere von „Aimée & Jaguar“ anschauen zu können. Aber „aufgehoben ist ja nicht aufgeschoben“, und man weiß nicht recht – war's eine durchtriebene hegelsche Wendung gegen den eigenen unkontrollierten Redeschwall oder doch nur ein Versprecher im Rahmen von Schröders Road- Show? Bei Diepgen, der danach noch ein paar stramme Sätze sagte, lag die Sache schon viel klarer: Hier ist das Publikum schließlich „nicht Mittelmeer, sondern von der Mitte her“. Sieht man vom Schüttelreim ab, bedeutet das in etwa: Jetzt ist Berlinale, und da hat sich der Berliner wie Bolle zu freuen. Harald Fricke