Die perfektionierte Zuverlässigkeit

■ Die Fußballerin Bettina Wiegmann prägt seit Jahren das Spiel des DFB-Teams und kickt am Sonntag in Kalifornien in der Weltauswahl

San José (taz) – Wenn man die DFB-Cheftrainerin Tina Theune- Meyer auf Bettina Wiegmann (27) anspricht, kann es passieren, daß sie zu strahlen beginnt. Das liegt auch, aber nicht nur daran, daß Wiegmann den DFB beim ersten weiblichen Weltauswahlspiel in der Geschichte des Fußballs vertritt. AM Sonntag werden die „Fifa-Allstars“ im kalifornischen San José gegen die USA antreten, die Olympiasiegerin und Gastgeberin der dritten WM der Frauen (19. Juni bis 10. Juli). In der Halbzeitpause wird Fifa-Präsident Joseph Blatter die 16 qualifizierten Teams in vier Gruppen auslosen. Gesetzt sind USA, Norwegen, China und Deutschland, außerdem dabei: Japan, Nordkorea, Nigeria, Ghana, Kanada, Mexiko, Brasilien, Dänemark, Italien, Rußland, Schweden und Australien.

Das All-Star-Spiel ist keine kleine Sache. „Eine Berufung in die Weltauswahl ist das Größte, was einem in der Karriere geschehen kann“, findet Tina Theune- Meyer. Daß das DFB-Nationalteam, seit Montag in der Türkei, zur gleichen Zeit mit einem Testspiel gegen die international nicht eben erstklassigen Türkinnen ihr Schwarzmeer-Trainingslager abschließen will, stört die Trainerin nicht. „Bettina ist natürlich freigestellt“, hatte sie sofort gesagt. Die Spielerin selbst sieht das gar nicht so locker. Daher hat sie bis gestern in Riva nordöstlich von Istanbul mittrainiert und ist erst jetzt nach Kalifornien unterwegs.

Das ist typisch Bettina Wiegmann. Sie gilt als die personifizierte Zuverlässigkeit. Zehn Jahre blieb sie treu bei Grün-Weiß Brauweiler, bis sie diese Saison zum derzeitigen Bundesligadritten Sportfreunde Siegen wechselte. Sie hat 91 Länderspiele bestritten, wurde dreimal Europameisterin (1991, 95, 97) und einmal Vizeweltmeisterin (95). Ihren Fulltime-Job als Kommunikationselektronikerin hat Bettina Wiegmann jetzt in eine halbe Stelle getauscht, um für die WM topfit zu sein.

„Diese Einstellung ist einmalig und vorbildlich“, strahlt Tina Theune-Meyer. In ihrem Team ist Deutschlands „Fußballerin des Jahres 1997“ unverzichtbar für den Spielaufbau aus dem defensiven Mittelfeld. Trotz ihrer zurückhaltenden Art ist sie längst zu einer Führungspersönlichkeit nicht nur auf dem Feld herangereift. Erfahrung, Übersicht, technisches und taktisches Geschick zeichnen Wiegmann ebenso aus wie große Energie und Nervenstärke in entscheidenden Situationen. Bei der WM 1995 wie bei der EM 1997 waren es Wiegmanns goldene 1:0-Treffer gegen China und Schweden, die das Team ins jeweilige Endspiel führten.

Für die DFB-Auswahl stehen in der Türkei-Woche insbesondere taktische Schwerpunkte auf dem Programm, um speziell im Angriff flexibler zu werden. Denn die Ausrechenbarkeit der deutschen Fußballerinnen erweist sich derzeit ebenso als Manko wie die einsetzende Nervosität, wenn es nicht von Beginn an läuft. Bis zum Abflug in die USA stehen noch sechs weitere Länderspiele auf dem Programm. Ab Anfang Mai wird der Kader in ein sechswöchiges Trainingslager gehen. „Unser Programm ist am Limit“, sagt die Trainerin. Ihre Vorzeigespielerin freut das. Das Limit anzuvisieren, entspricht genau der Mentalität von Bettina Wiegmann. Rainer Hennies