Fit und schlank in den europäischen Wettbewerb

Derzeit wird am Runden Tisch fieberhaft nach der Zukunft der BVG gesucht. Mittlerweile hat sich das „ÖTV-Modell“ gegen den Plan der CDU durchgesetzt, BVG und Bahn in einer Holding zusammenzufassen. Eine endgültige Entscheidung soll im April fallen  ■ Von Jutta Wagemann

„Man beerdigt niemanden in Abwesenheit.“ Susanne Stumpenhusen, die ÖTV-Landesvorsitzende, hat keine Scheu vor klaren Worten. Und ihr zufriedenes Lächeln zeigt: Die Verhandlungen über die BVG verlaufen derzeit in ihrem Sinne. Zweimal ist der Runde Tisch zur Zukunft der Verkehrsbetriebe bislang zusammengekommen. Zweimal haben die zuständigen Senatsverwaltungen, die Koalitionsfraktionen des Abgeordnetenhauses, die Gewerkschaften sowie BVG-Vorstand und -Personalrat nach einer zukunftsfähigen Lösung für die BVG mit ihren 16.400 Beschäftigten gesucht. Und schon die zweite Sitzung war ein Erfolg für die ÖTV: Der Einstieg der Deutschen Bahn bei der BVG, den die Gewerkschaften entschieden ablehnen, wird immer unwahrscheinlicher. Die Bahn selbst saß jedoch nicht am Runden Tisch.

Fast zwei Jahre dauert die Diskussion um die Privatisierung der landeseigenen BVG jetzt an. Die längste Zeit des Wartens dürfte jedoch vorbei sein. Denn es ist Eile geboten. Seit diesem Januar gilt für den öffentlichen Nahverkehr in der Europäischen Union der freie Wettbewerb, und zum Ende des Jahres läuft der Unternehmensvertrag zwischen dem Land Berlin und BVG aus. Also muß eine Regelung her, die sowohl den EU- Richtlinien entspricht als auch das größte Nahverkehrsunternehmen der Republik vor dem finanziellen Ruin – und damit dem Verlust von Arbeitsplätzen – bewahrt.

Den ersten Vorstoß zur Privatisierung der mit 700 Millionen Mark verschuldeten Verkehrsbetriebe hatte im Mai 1997 die SPD unternommen. Der Fachausschuß Verkehr des Landesverbandes schlug vor, die Zusammenarbeit mit anderen Verkehrsunternehmen zu prüfen. Damit war die Diskussion eröffnet.

Ihren ersten Höhepunkt fand sie, als im März vergangenen Jahres SPD-Fraktionschef Klaus Böger und sein CDU-Kollege Klaus Landowsky einen eigenen Vorschlag präsentierten: Weil das Land auf Dauer nicht jährlich rund eine Milliarde Mark für die BVG aufbringen könne, müsse eine Zusammenlegung der BVG mit anderen „Nahverkehrsträgern“ geprüft werden. Ins Spiel brachten die beiden Politiker die Deutsche Bahn. Während sich jedoch Klaus Böger von seinen Fachpolitikern und den Gewerkschaften im Laufe des Jahres davon überzeugen ließ, daß die Bahn nicht der allein selig machende Partner für die BVG ist, bewegte sich die CDU genau in die andere Richtung. Sowohl der damalige Wirtschaftssenator Elmar Pieroth als auch Verkehrssenator Jürgen Klemann, beide CDU, begeisterten sich für die Bahn und ließen ihre Verwaltungen entsprechend arbeiten.

Aus ihrer Sicht war das klug: Die Bahn wurde in die Spur geschickt, lieferte mit einem Holding-Modell auch prompt ein unternehmerisches Konzept und stand damit in der Verantwortung – und in der Schußlinie. Sowohl der Einfluß des Landes als auch der Gewerkschaften und Personalräte wäre beim Bahn-Modell drastisch gesunken. Entsprechend fiel der Protest der Arbeitnehmervertreter aus, dem sich auch die SPD anschloß. Bündnisgrüne und PDS, die am Runden Tisch nicht beteiligt sind, waren ohnehin gegen die Beteiligung der Deutschen Bahn.

Zwar hielten die CDU und Pieroths Nachfolger Wolfgang Branoner in der Folgezeit am Bahn-Modell fest. Doch auch sie konnten nicht die Einrichtung eines Runden Tisches verhindern, der auf Initiative der ÖTV zustande gekommen war. Auch der Senat akzeptierte das neue Gremium und beschloß, daß am Runden Tisch spätestens bis Frühjahr 1999 eine Lösung gefunden werden muß.

Doch das Festhalten der CDU am Holding-Modell mit der Bahn hatte auch eine gute Seite. Nun sah sich auch die ÖTV gezwungen, selbst ein Modell zu erstellen. Denn auch das Konzept, das inzwischen der BVG-Vorstand vorgelegt hatte, wahrte nach Meinung der Gewerkschaft nicht ausreichend die Interessen der Mitarbeiter. In dem Vorstandsmodell wäre die BVG in drei Betreibergesellschaften zerteilt worden. Die Beschäftigten wären dann zwar bei der BVG angestellt gewesen, hätten ihren Arbeitsplatz aber in einer der Gesellschaften gehabt. Ihre Interessen hätte dort niemand mehr vertreten können.

Immerhin aber rauften sich BVG-Vorstand und ÖTV im Januar schließlich so weit zusammen, daß sie ein abgestimmtes Modell erarbeiteten. Nach diesem Konzept soll die BVG durch Gründung einer Bus-Tochtergesellschaft und Änderungen der Zusatz-Tarifverträge aus eigener Kraft saniert werden. BVGler, die dann bei der Tochterfirma angestellt würden, verdienen in diesem Falle allerdings deutlich weniger als zuvor. „Es gibt aber bereits einige, die dazu bereit sind“, sagt ÖTV-Sekretär Frank Bäsler. Manche locke auch die Abfindung, die sie bei einem Wechsel bekommen sollen.

Entgegen ihrer Erwartung stieß die ÖTV mit ihrem Vorschlag bei der zweiten Sitzung des Runden Tisches Anfang Februar auf offene Ohren. „Alle haben eingesehen, daß man nur mit den Arbeitnehmern und nicht gegen sie arbeiten kann“, bilanziert Stumpenhusen von der ÖTV. Einig waren sich die Beteiligten auch über eine Kooperation mit der S-Bahn.

Nach dieser Runde steht die CDU-Fraktion mit ihrer Position ziemlich alleine da. Selbst der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) meinte nach der Sitzung zufrieden: „Wir sind einen großen Schritt weitergekommen.“ Seine Parteifreunde geben sich jetzt ganz pragmatisch. Das Bahn- Modell sei noch nicht vom Tisch, sagte der verkehrspolitische Sprecher Alexander Kaczmarek, aber „wir sind offen“. Er fordert jetzt genaue Zahlen, vor allem bevor das Abgeordnetenhaus über die künftige Form der Verkehrsbetriebe entscheide.

Neben ÖTV, BVG und SPD pochen aber vor allem die Grünen und die PDS gleichzeitig auf eine Kursänderung in der Verkehrspolitik. Nur mit unterstützenden Maßnahmen durch den Senat, die den Nahverkehr attraktiver machten, habe die BVG eine Zukunft, sagte der Verkehrsexperte der Grünen, Michael Cramer. „Die Verkehrspolitik von CDU und SPD treibt die BVG in den Konkurs.“

Der genaue Termin für die nächste Sitzung des Runden Tisches ist noch offen, soll aber im Februar sein. Danach soll auch die S-Bahn in die Gespräche einbezogen werden. Eine Entscheidung soll im April fallen. In einem sind sich jetzt schon alle einig: Wir wollen die BVG fit für den Wettbewerb in Europa machen.