Cargolifter oder Die späte Rückkehr der Zeppeline

■ In Brand bei Berlin werden wieder Luftschiffe gebaut. Heute wird der Standort eingeweiht

Luftschiffe von der Größe eines Kreuzfahrtdampfers durchkreuzen internationale Lufträume. Von Deutschland nach China, von Brasilien nach Argentinien, von einem amerikanischen Bundesstaat zum anderen. Die Passagiere fliegen nicht zum Spaß. Der Kapitän, mehrere Piloten, Navigatoren und Bordingenieure, die Kabinen im Kiel des Schiffes bewohnen, transportieren gewaltige Maschinenteile vom Hersteller zum Käufer – etwa eine in Deutschland produzierte Turbine für ein Kraftwerk in China. In vier Jahren wird das Realität sein – wenn alles so läuft, wie das Unternehmen Cargolifter plant.

Seine Zentrale will das ungewöhnliche Unternehmen Mitte dieses Jahres von Wiesbaden nach Berlin verlegen, wie am Mittwoch auf der Hauptversammlung in Frankfurt/Main beschlossen wurde. Produziert werden die Luftschiffe allerdings 60 Kilometer südlich von Berlin im brandenburgischen Brand. Vor wenigen Wochen haben die Bauarbeiten für die gewaltige, 107 Meter hohe und 210 Meter breite Halle, in der die Cargolifter entstehen sollen, begonnen. Heute soll nun der Standort in Anwesenheit des brandenburgischen Wirtschaftsministers Burkhard Dreher eingeweiht werden. Der Anlaß: die Fertigstellung des Airship Design Center, wo mehr als 50 Luftschiffexperten den Cargolifter entwickeln.

Das Wiesbadener Unternehmen Cargolifter will mit seinem Luftschiff an die Zeppeline aus den 30er Jahren anknüpfen, die seitdem nur noch für Werbe- und Tourismuszwecke eingesetzt wurden. Das Ziel: schwere und große Maschinenteile transportieren, wie der Vorstandsvorsitzende Carl von Gablenz der taz erklärt. Gegenüber herkömmlichen Transporten mit Lkw und Schiffen hat der Cargolifter den Vorteil, daß er schneller, unkomplizierter und das Maschinenteil als Ganzes befördert, so von Gablenz.

Von Gablenz knüpft mit dem Cargolifter nicht nur an die Zeppeline der 30ger Jahre an, sondern auch an eigene Wurzeln: Sein Großvater war ein bekannter Forschungsflieger, der die Liniennetze in Deutschland und Europa aufgebaut hat und bis nach China und Südamerika geflogen ist. Von Gablenz hingegen ist Jurist, Banker und Maschinenbauingenieur.

Sein Luftschloß nimmt jetzt Gestalt an. Die Bauarbeiten in Brand haben vor wenigen Wochen begonnen. Auf dem Gelände eines ehemaligen Militärflughafens errichtet man zunächst die „Luftwerft“, eine gewaltige Halle, in der locker acht Fußballfelder Platz haben. Für das Jahr 2001 hat man dann den ersten Zeppelin anvisiert, ab 2004 eine Serienproduktion.

Das visionäre Unternehmen läßt dann einen Schlag auf den anderen folgen: Nach eigenen Angaben soll es bis 2010 schon 44 bis 46 Zeppeline geben.

Bis dahin sind noch viele Schritte zu tun, jeder für sich ein Meilenstein. Noch nie wurde ein Zeppelin solchen Ausmaßes gebaut, erklärt von Gablenz. Selbst für die amerikanischen und englischen Experten, die jeweils etwa 10 bis 15 Prozent des Entwicklungsteams stellen, ist es eine Herausforderung.

Cargolifter verhandelt mit dem Luftfahrtbundesamt, gibt es doch für diesen Bereich noch keine gesetzlichen Regelungen.

Ein Pilot muß nach Angaben von Cargolifter normalerweise 100 Stunden geflogen sein, bevor er seinen Flugschein erhält. Solche Flugerfahrung ist beim Cargolifte nicht möglich. Die zehnköpfige Mannschaft wird im Durchschnitt „zwei bis vier Wochen in der Luft sein, und nach den bisherigen Vorschriften darf sich das Flugpersonal nur zehn Stunden in der Luft aufhalten“, erklärt das Unternehmen. Ein Modell im Maßstab 1:8, genannt „Joey“, soll in Brand bald Testflüge machen.

Das Land Brandenburg will die Hälfte der Investitionssumme von 155,7 Millionen Mark für das Grundstück und den Bau der Halle zuschießen. Immerhin handle es sich bei Brand um eine strukturschwache Region, sagt die Sprecherin Patricia Schuster vom Brandenburger Ministerium für Wirtschaft.

Cargolifter will nach eigenen Angaben 250 Arbeitsplätze schaffen, so die Zusage – nicht einbezogen die Aufträge an Zulieferer und Dienstleister in der Region. Von Gablenz rechnet mit einem regelrechten Zeppelintourismus: 250.000 Leute im Jahr. „Ein interessanter Sekundäreffekt“, so Schuster. Nach deren Berechnungen lasse ein Tagesausflügler über Eintrittskarte, Restaurant und öffentliche Verkehrsmittel 29 Mark in der Region.

Nicht zuletzt hat Brandenburg seit der Wende den Ehrgeiz, sich wieder zu einem Luftstandort zu entwickeln – bis in die 30er Jahre sei es zusammen mit Berlin die Wiege der Luftfahrt gewesen. Schuster verweist auf das BMW- Rolls-Royce-Werk in Dahlewitz, wo Triebwerke für Flugzeuge hergestellt werden, oder MTU in Ludwigsfelde. Etwa 4.000 Menschen wären in Brandenburg in der Luftfahrt beschäftigt.

Mittlerweile begegenen die Cargolifter-Mitarbeiter nicht mehr mitleidigem Lächeln. „Tagtäglich kommen Anfragen“, berichtet der Logistikchef Dirk Steffes. „Vor allem aus Südamerika und Asien.“ Aber auch aus Deutschland. Aus Bonn rief ein Botschafter an, so von Gablenz, und fragte, ob eine Delegation aus Schweden vorbeikommen könne. Das gleiche Anliegen hatte eine Schulklasse aus Garmisch-Partenkirchen. Um die Publikumsneugier zu befriedigen, soll es diesen Samstag einen Tag der offenen Tür geben. Karen Wientgen