Verwirrt und trotzdem glücklich und nicht dumm

■ Man läßt sich immer wieder von ihm einwickeln: Der amerikanische Low-Fi-Barde Jonathan Richman erzählte im ColumbiaFritz komische Geschichten und tanzte den Ausdruckstwist

Zugegeben, eigentlich wollte man sich diesmal nicht von ihm um den Finger wickeln lassen. Wollte dem viel zu romantischen Rock 'n' Roll widerstehen, den das 48jährige Kind Jonathan auf seiner vielgelobten „Fender Startocaster“- Gitarre klimpert, wollte den verborgenen, liebestollen Hippie in sich gar nicht erst durch Textzeilen wie „People all over the world are starving for affection“ oder „I wanna be important in your life“ wecken, wollte nicht wieder auf den Schmelz in der Stimme und den Schwung in den Hüften des komischen Mannes aus Boston reinfallen.

Aber sobald er anfängt, seine Gitarre zum „Egyptian Reggae“ zu zupfen, und die ersten fünf Reihen mit einem einzigen, beschwörenden Naiv-Blick verzaubert, kann man quasi kaum anders. Wie ist das überhaupt möglich, daß „Jojo“ nach 30 Jahren im harten Busineß, nach den von Kim Fowley produzierten Modern-Lovers- Erfolgen der 70er mit dem späteren Talking-Heads-Keyboarder Jerry Harrison und nach ca. 15 weiteren Alben samt erfolgreichem Soundtrack zu dem überbewerteten Film „Alle lieben Mary“ immer noch derselbe sein soll?

Der Jonathan, der lieber von Velvet Underground, Pablo Picasso, kleinen Dinosauriern oder kleinen Flugzeugen singt, als von schnellen Highwayflitzern („Stop this car, I'm getting out“)? Und der stets Geschichten in seine Live- Gigs einbaut, die anfangen mit „Jonathan, tell me...“ und irgendwie immer mit Liebe zu tun haben und mit Appellen an hehre Werte wie Vertrauen, Wahrheit etc. enden? Die Zeit ist anscheinend an ihm vorbeigeschlichen.

Sein neues Album heißt darum auch „I'm so confused“, wie eine Reaktion auf moderne Zeiten, und „I have to sigh now“ singt er im Refrain kopfschüttelnd und seufzt dann tief. Trotzdem trifft „weltfremd“ es auch nicht genau, weil da ja noch die unglaublichen, mal witzigen, mal stilvollen Bonmots sind, die wiederum von genauer Beobachtung und Wissen um den eigenen Status und die anderen zeugen. Die Geschichte, die er vor „You can't talk to the dude“ erzählt, handelt von netten Frauen, die mit dummen Musikern zusammen sind, und zwar weil sie sich immer fragen: „What would he do whithout me“?

„Nothing“, antwortet Jojo richtig, denn dumme Musiker kriegen ohnehin nichts gebacken, wie der bedächtige Minimal-Standschlagzeuger Tommy bestätigt. Der gibt sich beim Konzert alle Mühe, bei Jonathans Stimmungs- und damit auch Song- bzw. Tonartwechseln mitzuhalten, und vor allem muß er weiter den Takt vorgeben, wenn Jonathan die Gitarre beiseite schiebt und das macht, wofür ihn dann auch wirklich jede noch so distanzierte, unwissende und abfällige Seele im Saal küssen will: Ausdruckstwist. Oder wie man es auch immer nennen kann, wenn ein erwachsener Mann zu Rock 'n' Roll (denn das ist es, bei allem Hippietum, immer) wie eine Mischung aus Elvis Presley und einem Bhagwan-Jünger auf dem Weg zur Erlösung herumzappelt.

Trotzdem hat Jonathan schon mal mehr und berückender erzählt, nicht nur seine Halbakustische sprechen lassen. Aber vielleicht hat so ein Mensch einfach Launen, der sagte schließlich mal vor Jahren Spex-Redakteuren das Interview mit der Begründung ab, er „habe gerade keine Lust und wolle lieber kopfstehen“.

Daß er den „Ice Cream Man“ trotz ca. 30minütigen Ovationen denn doch nicht mehr spielen wollte, ist allerdings schlicht verdammt schade. Aber man geht das nächste Mal sowieso wieder hin... Jenni Zylka