Bodentruppen der UN nach Brandenburg?

■ Podiumsdiskussion über Ursachen und Gegenstrategien rechter Gewalt

Ist der Rechtsextremismus in Brandenburg nur noch mit UN- Blauhelmtruppen in den Griff zu bekommen, wie ein Journalist des US-Magazins Time vorgeschlagen hat? Nirgendwo in Deutschland wird jedenfalls so hart zugetreten wie zwischen Elbe und Oder. Während in den alten Bundesländern lediglich 2,9 Prozent der Wähler rechtsextreme Parteien favorisieren, schneiden diese im Osten laut Untersuchungen des Politologen Richard Stöss fast doppelt so gut ab. Zur Diskussion über Ursachen der rechten Hegemonie hatte der Berliner Verlag Elefanten Press anläßlich der Neuerscheinung des Buchs „Braune Gefahr“ geladen.

„Mir ist kein einziger Fall begegnet, in dem die Brandenburger in ihrer Mehrheit Mitleid mit den Opfern gezeigt haben“, schildert Zeitungsredakteur Frank Jansen seine Rechercheerfahrungen in Brandenburg: Dem stehe das Verständnis für die Täter gegenüber. Die Schläge der Skins seien die Vollstreckung dessen, was in der Gesellschaft gedacht werde.

Über die Ursachen dieser Situation herrscht indes Uneinigkeit. Silke Kirschnick vom Zentrum für Demokratische Kultur macht unter anderem den Atheismus vieler ehemaliger DDR-Bürger für ihre Anfälligkeit für den „Germanenkult“ verantwortlich. Zwar sei ein großer Teil der Täter noch jugendlich, dennoch liege eine Ursache in der „Erziehung zur Konformität“ in der DDR: „Die Erwachsenen als personelle Sozialisationsinstanzen widersprechen nicht.“

Zudem, so ergänzte der Politologe Hajo Funke von der Freien Universität, schüre das „riesige Kolonialexperiment seit 1989“ mit seinen Folgen der sozialen Verunsicherung die Aggressivität. Ralf Melzer, Direktor des Anti Defamation Forums Berlin, lehnt diesen Ansatz ab. „Man muß nicht arbeitslos sein, um Rassist zu sein.“ Er verweist auf den aktuellen Rückzug der Regierung in der Frage des Staatsbürgerschaftsrechts. Dieser werde verheerende Auswirkungen haben. „Die CDU hat DVU und NPD die Arbeit abgenommen.“ Solange das LKA Brandenburg die „gefühlsmäßige Ablehnung gegen Ausländer nicht als rechtsextrem“ einstufe und ein völkisches Blutsrecht vorherrsche, müsse man sich über die „Avantgarde des Volkszorns“ nicht wundern. Auch die nachdrückliche Forderung des Brandenburger Generalstaatsanwalts Erardo Rautenberg nach einem Verbot der NPD wirkt wenig vielversprechend. Die Bekämpfung rechter Straftaten habe bei der Polizei „höchste Priorität“, eine Steigerung sei nicht mehr möglich, so Rautenberg: 45 Angehörige der Sondereinheit Mega stünden 40 rechten Cliquen allein in Brandenburg gegenüber. – Ein Zuhörer meint: „Wenn die Nazis eine Bank überfallen würden, bekäme die Polizei das Problem sofort in den Griff.“ Der Publizist Jens Mecklenburg spricht sich für gleiche Rechte für alle als demokratische Strategie aus: „Rechtsextremisten bekämpft man nicht mit weniger, sondern mit mehr Demokratie.“ Andreas Spannbauer