Telefon per Stromleitung

■ RWE-Aktie durch neue Technik auf Höhenflug. Schneller Datentransfer in jedes Zimmer möglich. In einem Jahr soll die Technik auf den Markt. Bohrmaschinen und Rasierer ausgetrickst

Berlin (taz/rtr) – Es gibt ein Netz, das noch feiner verzweigt ist, als das der Telefongesellschaften: das Stromnetz. Warum also nicht das Stromnetz zum telefonieren benutzen? Der Grund ist, daß das technisch äußerst schwierig ist. Der Stromkonzern RWE kündigte nun gestern an, daß er dieses Problem gelöst habe. Die Börse reagiert prompt: In Frankfurt stieg die RWE-Aktie zeitweise um bis zu 16 Prozent, während der Kurs der Deutschen Telekom dagegen um mehr als sechs Prozent einbrach.

RWE und ihr Schweizer Technikpartner Ascom kündigten an, die Innovation auf der Computermesse Cebit in einer Woche vorstellen zu wollen. Im nächsten Jahr solle die Technik auf den Markt gebracht werden. Bisher habe die Technik im Labor zwar exzellent funktioniert, in der Praxis habe es jedoch Störungen gegeben, so ein Experte der BHF-Bank.

RWE und Ascom sind nicht die ersten auf diesem Feld. Bereits im Oktober 1997 hatten die kanadische Modemfirma Nortel und der britische Stromkonzern Norweb erklärt, einen ersten Durchbruch für diese Technik erzielt zu haben. Sie stellten ihren Prototyp auf der vergangenen Cebit vor. In England läuft bereits ein Feldversuch mit Internetanschlüssen. In Deutschland forschen auch IBM sowie die Stromversorger Bewag und HEW an der neuen Technik.

Parallel zur Technik müssen laut RWE-Projektleiter Hartmut Schilling neue Dienstleistungen entwickelt werden, die bisher nicht möglich waren. „Alles was am Stromnetz angeschlossen ist, kann gesteuert und überwacht werden“, sagte Schilling. Private Haushalte könnten etwa ihre Heizung oder Waschmaschine über die Stromleitung steuern und Unternehmen Anlagen überwachen. Im Internet könne mit der neuen Technik 20 mal so schnell gesurft werden als bei bisheriger digitaler Übertragung per ISDN.

Der eigentliche Punkt an der neuen Technik ist, daß Stromkabel einfach schon in jedem Zimmer liegen, und die Stromkonzerne sich damit unabhängig von der Telekom machen können. Damit könnte dann die Telefonfirma Otelo, eine Tochter von RWE und Veba, selbst billige Ortsgespräche anbieten, ohne die letzten Meter zum Kunden teuer von der Telekom mieten zu müssen. Weil die Stromleitung ohnehin immer steht und nicht erst wie das Telefon angewählt werden muß, werden die Energieversorger auch billig Internet anbieten können. Die Innovation könnte hier bald schon einen Preiskampf auslösen.

Das Problem beim Datentransport per Stromkabel sind die vielen Störsignale von angschlossenen Bohrmaschinen, Rasierern, angeschalteten Neonröhren und so weiter. Außerdem sind Stromkabel nicht abgeschirmt, so daß sich ein großer Frequenzsalat in den Leitungen ansammelt. Zur Trennung von Signal und Rauschen ist daher eine aufwendige Technik nötig.

Auch heute schon haben viele einen ganz banalen Datenüberträger übers Stromnetz bei sich zu Hause, der vom Prinzip ähnlich, aber nur über kurze Strecken funktioniert: Das Babyphone. urb