Giftmüll sucht neue Bleibe

■ 357 Container taiwanisches Gift nach illegaler Lagerung aus Kambodscha abgeholt

Bangkok (taz) – Muß der Frachter „MV Eagle Prosperity“ bald über die Weltmeere irren, weil kein Land seine gefährliche Ladung aufnehmen will? Wohin mit den 357 Containern voll quecksilberverseuchtem Schutt, die seit dem Wochenende wieder im taiwanischen Hafen Kaohsiung dümpeln?

Im vergangenen Jahr noch glaubte die taiwanische Firma Formosa Plastics, sie habe das Problem gelöst: Kambodscha, eines der ärmsten Länder Asiens, war ohne viele Umstände bereit, die giftigen Industrieabfälle zu lagern. Doch aus dem stillen Geschäft wurde ein Skandal, der internationales Aufsehen erregte: In einfachen Plastiksäcken hatte die Firma rund 3.000 Tonnen des mit Quecksilber, Cadmium und anderen gefährlichen Schwermetallen durchsetzten Mülls unter freiem Himmel gelagert. Der feine Staub war in Brunnen und Felder der Umgebung eingedrungen. Als sich herumsprach, daß ein Hafenarbeiter nach dem Löschen der Ladung gestorben war, kam es zum Aufstand in der Stadt Sihanoukville. Tausende Bewohner flohen in Panik. In den Hospitälern drängten sich bald die Menschen, die über Kopfschmerzen und große Schwäche klagten.

Ahnungslose Müllsammler nutzten die begehrten Plastikplanen als Unterlagen für ihre Betten, andere verwandten die gefährlichen Schuttblöcke als Stützen für ihre Kochstellen. Erst nach anhaltenden heftigen Protesten der Bevölkerung zwangen die Behörden Formosa Plastics, den Müll Anfang April wieder abzuholen.

Mehr als drei Millionen US-Dollar Bestechungsgelder soll der Konzern an kambodschanische Politiker bezahlt haben, heißt es in Phnom Penh. Umweltminister Mok Mareth erklärte, er habe nicht gewußt, daß die taiwanesische Firma eine Genehmigung für die Entsorgung in Sihanoukville erhalten habe. Allerdings habe er in der Vergangenheit viele „ähnliche Anträge“ abgelehnt.

Gegen mehrere Taiwanesen und Kambodschaner, darunter den Chef des Unternehmens, das den Import des Giftmülls organisierte, ist inzwischen Anklage erhoben worden. Formosa Plastics hat sich zwar entschuldigt, will aber keine Kompensation zahlen. Vor wenigen Tagen scheiterte auch der jüngste Versuch der Firma, den gefährlichen Abfall loszuwerden. Umweltschützer in den USA hatten von dem Plan, das Zeug in einer Deponie unweit von Los Angeles zu begraben, Wind bekommen und Alarm geschlagen.

Jetzt versuchen die Manager von Formosa Plastics verzweifelt, einen neuen Abnehmer im Ausland zu finden, denn die Deponien im hochindustrialisierten Taiwan sind völlig überlastet. Der Müllfrachter muß den Hafen von Kaohsiung innerhalb von 60 Tagen verlassen, forderten die Behörden, sonst verfällt eine Kaution über 1,5 Millionen Dollar. Um die Umweltschützer im eigenen Land zu beruhigen, hat die Firma erklärt: „Wir haben nicht vor, den Abfall hierzubehalten.“ Jutta Lietsch