Arbeitslose ausgesperrt

■ Zum Start der bundesweiten Kampagne besuchen Erwerbslosen-Inis die SPD

Vor der Berliner SPD-Zentrale im Wedding war gestern morgen kein Durchkommen. Die Polizei hatte das Gelände weiträumig abgesperrt. Damit sollte verhindert werden, daß Erwerbslosen- und MigrantInneninitiativen dem SPD-Büro einen öffentlich angekündigten Besuch abstatten. Diese „freundliche Besetzung“ von Parteibüros zwecks Anbahnung eines konstruktiven Dialogs sollte der Auftakt einer neuen Runde von Protesten sein, zu denen die Bundesarbeitsgemeinschaft unabhängiger Erwerbsloseninitiativen (BAG) unter dem Label „Champagner 99“ bundesweit aufgerufen hat.

Weil die SPD lediglich bereit war, von einer vierköpfigen Delegation einen Forderungskatalog entgegenzunehmen, mußten die etwa 60 AktivistInnen ihre Pressekonferenz vor dem Weddinger Arbeitsamt abhalten. Doch nur wenige der zahlreich in die Behörde strömenden Arbeitslosen waren dafür zu interessieren.

Die Aktion soll kein Aufguß der „Jagoda-Tage“ vom letzten Jahr werden, betont der Champagner-99-Koordinator Alexander Klute. Damals wurden die Aktionen von den gewerkschaftlichen Arbeitslosengruppen organisiert, während für die neuen Proteste unabhängige Erwerbslosengruppen die Verantwortung tragen.

Aber es gibt auch inhaltliche Unterschiede. „Im letzten Jahr gingen die Forderungen häufig nicht über das Statement ,Kohl muß weg‘ hinaus. Mit Champagner 99 wollen wir deutlich machen, daß wir auch unter Rot-Grün um unsere Rechte kämpfen müssen und können!“ betont Klute. Schließlich sei noch nicht einmal die vor der Wahl versprochene Rücknahme der von der Kohl-Regierung beschlossenen Schikanen für Arbeitslose, wie Melde- und Bewerbungszwang, in Angriff genommen worden. Als vor einigen Monaten die PDS einen Antrag mit diesen Forderungen stellte, wurde er von allen übrigen Parteien abgelehnt.

Neben der Rücknahme aller Verschlechterungen der Arbeitslosen auf rechtlichem und finanziellem Gebiet fordern die Champagneros als Ausgleich für die Ökosteuer eine einmalige Zahlung von 300 Mark an Arbeitslose und RentnerInnen, keine Anrechnung des Kindergeldes auf die Sozialhilfe und die Streichung des AsylbewerberInnen-Leistungsgesetzes. „Für den Alltag der MigrantInnen hat sich durch Rot-Grün bisher nichts geändert“, erklärte Reza Rassouli vom Antidiskriminierungsbüro. Eine Vertreterin der Erwerbslosengruppe Hängematten forderte ein Existenzgeld von 1.500 Mark plus Warmmiete für alle.

Die Kampagne ist auf drei Aktionstage befristet. Am zweiten Aktionstag, der für den 6. Mai festgelegt ist, soll es Aktionen vor Sozial- und Arbeitsämtern geben. Am 17. Mai soll dann wieder den Büros der Regierungsparteien ein Besuch abgestattet werden. Dann will man sich aber nicht noch einmal von der SPD aussperren lassen, versprach Mitkoordinator Klaus Boehlcke. Peter Nowak