■ Vorlauf: Zum Abgewöhnen
„Voll auf der Kippe“, 20.15 Uhr, RTL
Vor elf Tagen war Weltnichtrauchertag. Und vor zwölf Tagen sagte Nachrichtenpfiffikus Ulrich Wickert gegen 22.58 Uhr ungefähr: „Das Jahr hat 365 Tage. Einen davon hat die Weltgesundheitsorganisation zum Nichtrauchertag erklärt. Und dieser Tag ist morgen. Das Wetter.“
Vor elf Tagen hätte daher vielleicht auch die RTL-Nichtraucherkomödie „Voll auf der Kippe“ als bemüht-tagesaktueller Satireversuch durchgewunken werden können. Aber heute?
Heute spielt Mike Krüger einen (so will es das Drehbuch) „Nikotin-Fundi“, der als kindheitstraumatisierter Nichtraucher illegale Zigarettenhändler denunziert. Rolf Zacher hingegen spielt einen (so will es das Presseheft) „kettenrauchenden Ganoven“, der während der Dreharbeiten „ganze sechs Stangen oder umgerechnet 1.140 Zigaretten paffen mußte“. Beides klingt so bedauernswert, wie es ist. Und wie der Rest der wirren Story, die man in den 70ern wahrscheinlich noch „turbulent“ genannt hätte, die inzwischen aber ebenso auf den Müll gehört wie ihr Titel (den wiederum schon Harald Schmidt am letzten Dienstag in seiner Show nur mit irritierten Fragezeichen auf der Zunge aussprechen mochte).
Spannend wird „Voll auf der Kippe“ nur in den wenigen RTL-Selbstdarstellungssequenzen: Während Nichtrauchers Kampf gegen's Rauchen nämlich kaum mehr ist als eine Provinzposse, ist dennoch immer auch ein eifriges RTL-Reporterteam zur Stelle, das dem Ex-Blödler Krüger quasi exklusiv das original gelbe RTL-Mikro unter die berühmte Nase hält. (Dabei wäre die Story geistesabwesend genug, daß man zumindest auch die Kollegen vom Sat.1-Magazin „Newsmaker“ am Set erwartet hätte.) Als sich später sogar Heiner Bremer, der RTL-Wickert vom „Nachtjournal“, für eine Fernsehen-im-Fernsehen-Szene hergibt, tritt Rolf Zacher wütend gegen die Mattscheibe.
Mit anderen Worten: Das Jahr hat 365 Tage. Einen davon hat RTL zum Nichtgucktag erklärt. Und dieser Tag ist heute.
Christoph Schultheis
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