Noch ist alles offen

Die Auszählung der Stimmen in Indonesien zieht sich hin. Das nährt den Verdacht, es werde manipuliert  ■   Aus Jakarta Jutta Lietsch

Die Ringe unter seinen Augen werden immer tiefer: Seit vier Tagen versucht Andi Mallarengeng von der indonesischen Wahlkommission, die aufgeregten Geister zu beruhigen. Nicht Wahlbetrug, sagt er, sondern die Unerfahrenheit der Hunderttausenden Wahlhelfer sei schuld an der langsamen Auszählung der Stimmen für die Parlamentswahlen. 60 Prozent der Bevölkerung leben in zum Teil schwer zugänglichen Dörfern.

Das nach dem Sturz von Ex-Präsident Suharto im vergangenen Mai zusammengezimmerte neue Wahlverfahren ist kompliziert. Weil die Indonesier sich noch genau erinnern, wie dreist die regierende Golkar-Partei in den letzten drei Jahrzehnten die Ergebnisse fälschte, wollen viele Auszähler die Stimmzettel diesmal besonders korrekt behandeln.

Doch trotz dieser beruhigenden Erklärungen wird die Atmosphäre im Wahlzentrum in Jakarta immer ungemütlicher. Erst etwa zehn Prozent von über 100 Millionen abgegebenen Stimmen sind ausgezählt.

„Warum brauchen sie solange?“ fragt Oppositionspolitiker Amien Rais von der „Nationalen Mandatspartei“. „Das weckt den Verdacht übler Machenschaften.“ Gerüchte über Stimmenkauf und Unregelmäßigkeiten bei der Eingabe der Ergebnisse in die zentralen Computer schüren den Unmut.

Der Chef der reformorientierten „Nationalen Erweckungspartei“, Abdurrahman Wahid, drohte bereits damit, eine „Exilregierung“ auszurufen, falls es zu groben Manipulationen komme.

Nach ersten Ergebnissen liegt die oppositionelle „Demokratische Partei Indonesiens – Kampf“ der Politikerin Megawati Sukarnoputri mit 40 Prozent vorn. Die Golkar von Präsident B.J. Habibie schob sich mit etwas über 20 Prozent auf den zweiten Platz.

Noch ist alles offen. Die Demokraten Megawatis hoffen, mit den beiden Parteien der reformerischen Muslimführer Wahid und Rais eine Mehrheit im 500köpfigen Parlament zu erhalten. Doch die Golkar-Partei hat noch Hoffnung, an der Macht zu bleiben. Denn das Wahlsystem spielt Golkar in die Hände, weil die Stimmen ungleich gewichtet sind. In den abgelegenen Regionen reichen ein paar hunderttausend Stimmen, um ins Parlament zu kommen. In diesen Regionen sind viele der 45 neuen Parteien unbekannt, was Golkar nützt. Auf Java, wo Megawati und die Parteien der Reformallianz stark sind, müssen bis zu zehnmal so viele Stimmen für einen Sitz erzielt werden. Für die meisten Hauptstädter ist das zu kompliziert. „Wenn Golkar gewinnt, dann nur durch Betrug“, sagt der Verkäufer Agus Rahman. „Das lassen wir uns nicht gefallen.“