Dürfen traut sich Schröder nicht

■  Kanzleramt: Atomkredite für die Ukraine kommen. Schröder wolle zwar die Meinung des Parlaments „nicht ignorieren“ – wegen früherer Zusagen aber auch nicht befolgen

Bonn (taz) – Die Kreditvergabe für den Bau zweier AKWs in der Ukraine ist offenbar nun doch beschlossene Sache. Aus dem Kanzleramt hieß es gestern: „Die Kreditvergabe wird kommen.“ Bundeskanzler Schröder habe aufgrund internationaler Verpflichtungen gar keine Wahl. Die Fraktionen von SPD und Grünen drängen dagegen darauf, die Entscheidung abzuwenden.

Vorgestern hatte Regierungssprecherin Charima Reinhardt noch gesagt: Sicher sei, „daß der Bundeskanzler nicht die Absicht hat, Parlamentsbeschlüsse zu ignorieren“. Das war als Absage an die Kreditzugabe gewertet worden, weil sich die Koalitionsfraktionen bereits dagegen ausgesprochen hatten und Donnerstag im Parlament dagegen stimmen wollen. Das Kanzleramt aber erklärte Charimas Satz gestern anders: Der Kanzler werde den Beschluß des Parlaments zwar nicht ignorieren, aber er werde sich „zu seinem großen Bedauern“ wegen internationaler Vereinbarungen außerstande sehen, ihn zu befolgen.

Die rechtliche Situation ist jedoch unklar. Die G-7-Länder hatten 1995 in einem Memorandum vereinbart, die Ukraine im Gegenzug für die Abschaltung des letzten Reaktorblocks in Tschernobyl finanziell bei einem Ersatz zu unterstützen. Damals waren AKWs gemeint, ausdrücklich war aber von der wirtschaftlichsten Lösung die Rede gewesen. Der SPD-Fraktionsvize Michael Müller sieht daher keine Verpflichtung zur Hilfe beim Bau eines Atommeilers, weil es billigere Lösungen gebe.

Auch der Umweltsprecher der Grünen, Reinhard Loske, sagte: „Es gibt keinen Zwang.“ Es dürfte Schröder nicht allzuschwer fallen, den anderen Regierungschefs klarzumachen, daß die Kreditvergabe aus innenpolitischen Gründen nicht zu vermitteln sei. Schließlich sei es ein offensichtlicher Widerspruch, daß die Koalition einerseits aus der Atomkraft aussteigen wolle und gleichzeitig andernorts AKWs fördere.

Aus dem Kanzleramt heißt es dazu: Es gebe zwar in der Tat keine Vertragsverpflichtung zur Hilfe beim Bau der beiden Reaktoren, aber zigfache konkrete Absprachen. Deutschland habe damals darauf gedrängt, das Memorandum abzuschließen, damit Tschernobyl abgeschaltet werde. Da könne man nun nicht aussteigen. Der ukrainische Präsident Kutschma habe gedroht: „Wenn ihr aussteigt, wird Tschernobyl nicht abgeschaltet.“ Die anderen G-7-Staaten hätten erklärt: Wenn ihr aussteigt, müßt ihr die Ersatzkraftwerke alleine finanzieren.

Doch die Grünen wollen „alles tun“, drohte Fraktionssprecherin Kerstin Müller, „um die Kredite zu verhindern“. Markus Franz