Lehrer ignorieren Rechtsextremismus

■ Fremdenfeindlichkeit unter Lichtenberger Jugendlichen scheint Schulen nicht zu interessieren: Bei einem Workshop glänzten sie mit Abwesenheit

„Rechte sind Nazis und Linke sind Zecken. Und die Linken sind für Ausländer und die Rechten sind gegen Ausländer!“, sagt ein Gesamtschüler. „Dadurch, daß es im Osten viel weniger Ausländer gibt, dadurch bilden sich doch die rechten Vorurteile“, meint eine Gesamtschülerin. „Rechte sind eigentlich 'ne Schande für Lichtenberg, überhaupt für Berlin. Die sind gegen Ausländer und schlagen die auf, und das ist einfach nicht in Ordnung. Da muß man was tun“, so ein Gymnasiast.

Das meinen auch das Bezirksamt Lichtenberg und die Landesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Berlin e. V., aus derem jüngsten Forschungsbericht zum Thema „Handeln gegen Fremdenhaß“ die Zitate stammen. Deshalb luden sie gestern zu einem Workshop über Fremdenfeindlichkeit unter Lichtenberger Jugendlichen ein. In dem Bezirk, der einen Ausländeranteil von knapp zehn Prozent hat und als Hochburg der rechtsextremistischen Szene in Berlin gilt, wurden im vergangenen Jahr 57 rechtsextremistische Straftaten registriert. Der Reiseführer „Lonely Planet“ empfiehlt: „Vermeidet die östlichen Distrikte Marzahn, Hohenschönhausen und Lichtenberg. Wenn ihr Skinheads seht, rennt weg – und zwar schnell.“ Doch das Anliegen des Workshops, die „spezielle Verantwortung von Pädagogen in Schulen und Freizeiteinrichtungen“ zu diskutieren, blieb leider nur ein Wunsch.

Denn von den 48 angeschriebenen Lichtenberger Schulen waren kaum Lehrer erschienen. „Dabei ist Rechtsextremismus ein Problem an den Schulen“, sagte die Jugendstadträtin Stefanie Schulze (parteilos). Nach einer Umfrage vom vergangenen Jahr unter Lichtenberger Schülern sind sieben Prozent rechts orientiert. „Wenn es den Schulen wichtig wäre, hätten sie Lehrer entsendet“, so die Jugendstadträtin. Sie kritisierte außerdem „die fehlende Bereitschaft des Landesschulamtes“, interessierte Lehrer und Schüler zu dem Workshop zu schicken. „Das ist eine Frage von couragiertem Verhalten“, merkte Schulze an.

Auch die zahlreich erschienenen Sozialarbeiter von Jugendeinrichtungen machten keinen Hehl aus ihrer Enttäuschung. „Es ist ja gerade so, als wären Probleme mit Rechten an Schulen ein Makel“, schimpfte einer.

Außerdem wurde kritisiert, daß es an den Schulen zu wenig Sozialarbeiter gebe. „Man braucht ein Klima, das Fremdenfeindlichkeit suspekt erscheinen läßt“, sagte eine Sozialarbeiterin einer Gesamtschule, die allein für 700 Schüler zuständig ist.

Handlungsbedarf sieht auch die Ausländerbeauftagte von Lichtenberg, Heike Marquardt: „Oft wissen Lehrer nicht, wie sie mit den Schülern umgehen sollen“, sagte sie. Sie mahnte an, die Dinge beim Namen zu nennen statt die Augen zu verschließen. Denn die größte Gefahr besteht nach ihrer Einschätzung darin, daß sich der Rechtsextremismus „etabliert und irgendwann keinen mehr kümmert“.

Zumindest war der Workshop für einige Sozialarbeiter erkenntnisbringend. Daß es auch bei ihnen Defizite gibt, zeigten Fragen wie: „Was ist der Unterschied zwischen der Ausländerbehörde und der Ausländerbeauftragten?“ B. Bollwahn de Paez Casanova

„Rechtsextremismus ist ein Problem. Wenn es den Schulen wichtig wäre, hätten sie Lehrer entsendet.“