Schlechte Zeiten für Umweltferkel

Mit der Iso-Norm 14.031 werden ökologische Leistungen von Unternehmen sichtbar. Die nützen dem Betrieb durch niedrigere Kosten und der Umwelt  ■   Von Annette Jensen

Berlin (taz) – In den Medien als Umweltferkel dazustehen, verdirbt das Geschäft. Das haben Konzerne wie Hoechst oder Shell festgestellt. Aber mit dem Versprechen, ein sauberes Unternehmen zu sein, lassen sich auch neue Kunden anlocken. Bisher mußten die sich allerdings häufig auf die guten Worte und Absichten der Hersteller verlassen. Um dem abzuhelfen und die Umweltleistung eines Unternehmens auch für Außenstehende durchschaubar zu machen, wird in wenigen Monaten die internationale ISO-Norm 14.031 veröffentlicht. 45 Staaten haben daran mitgearbeitet – von Israel über Jamaica und Deutschland bis zu den USA. Zehn weitere Länder, darunter China, wollen die Norm übernehmen. Die Norm verpflichtet allerdings niemanden, sie auch anzuwenden.

Im Prinzip geht es um eine Leitlinie, wie ein Unternehmen eine betriebliche Ökobilanz aufstellen kann. „Allerdings man muß sich die ISO-Norm 14.031 etwa so vorstellen wie ein Kochbuch ohne Mindest- oder Höchstangaben für die Zutaten“, sagt Reinhard Peglau vom Umweltbundesamt. Festgelegt wird lediglich, in welchen Bereichen eine Firma Umweltkennzahlen errechnen kann. Zum einen geht es um die konkreten Belastungen, die durch die Produktion entstehen. Aber auch die Leistungen des Managements – investiert es in die Umweltbildung der Mitarbeiter, und achtet es auf die Ökobilanz der Lieferanten? – sollen bewertet werden. Schließlich spielt auch der Zustand der Umwelt in der Umgebung eine Rolle.

Wie man diese Umweltkennzahlen systematisch erfassen und konkret beziffern kann, wird die wenige Wochen später zusätzlich publizierte ISO-Norm 14.032 aufzeigen. „Diese ist dann so eine Art Gebrauchsanleitung mit konkreten Beispielen aus der betrieblichen Praxis“, sagt Peglau. In diesem Zusammenhang hat das Umweltbundesamt gute Vorarbeit geleistet und bereits 1997 – im Vorgriff auf die internationalen Normen – für die deutschen Unternehmen einen praxisorientierten Leitfaden entwickelt. Das Interesse der Industrie ist offenbar groß: Schon 10.000 Unternehmen haben die Anleitung angefordert.

Worum geht es konkret? Zunächst muß ein Unternehmen feststellen, welche umweltrelevanten Daten es überhaupt erheben sollte. Das wird von Branche zu Branche unterschiedlich sein: Während in der Chemieindustrie zum Beispiel die Wasserbelastung und der Energieeinsatz zentral sind, kann in einer Bank der Papierverbrauch der entscheidende Faktor sein. Unter ökologischen Gesichtspunkten sind zunächst die absoluten Mengen entscheidend – egal wieviel oder wenig dabei produziert worden ist. Um allerdings festzustellen, wie gut oder schlecht ein Unternehmen oder ein Standort im Vergleich zu anderen dasteht, müssen die Werte in ein Verhältnis zu aussagefähigen Bezugsgrößen gestellt werden.

So ermittelte eine Genossenschaftsbank, daß in einer Filiale nur 3.000 Blatt Kopierpapier pro MitarbeiterIn und Jahr verbraucht wurden, während es in einer anderen 6.700 waren. Durch die Nutzung von Vor- und Rückseite, E-mail und den Verzicht aufs Ausdrucken bestimmter Daten konnte der Gesamtverbrauch deutlich gesenkt werden – zum Nutzen der Bank und der Umwelt. Auch in einem Betriebsteil können Umweltkennzahlen von Nutzen sein: So stellte eine Färberei fest, daß der Wasserverbrauch pro Kilo Stoff plötzlich hochschnellte – der automatische Sensor für die Wasserzufuhr war kaputtgegangen. Unmittelbar wäre sein Ausfall zunächst niemandem aufgefallen, weil die Menge der zu färbenden Ware schwankte und somit mal viel und mal wenig Wasser verbraucht wird.

Schließlich gibt es auch noch kostenbezogene Kennzahlen. So können viele Firmenchefs wohl wenig damit anfangen, wenn sie feststellen, daß ihr Unternehmen 450 Kubikmeter Sondermüll produziert. Ist das viel oder wenig? Erfahren sie dagegen, daß allein die Entsorgungskosten 375.000 Mark betragen und dazu noch eine Stange Geld für dieLagerung und das damit beschäftigte Personal kommt, gibt es für sie über den Imagagewinn hinaus auch noch eine rein wirtschaftliche Motivation, umweltfreundlicher zu produzieren.

Zu umfangreich sollte die Liste der Umweltkennzahlen eines Betriebes nicht sein – sonst verlieren die Leute innerhalb und außerhalb den Überblick. So hat die SKW Trostberg AG, die als Pilotunternehmen der Chemieindustrie bei der Entwicklung der ISO-Normen mitgewirkt hat, für ihren Standort Hart lediglich 19 Kennzahlen entwickelt. Seit drei Jahren werden sie Jahr für Jahr gelistet und veröffentlicht. So erfahren die BürgerInnen, daß die Kohlendioxid-Emissionen und der Stromverbrauch kontinuierlich zurückgegangen sind, während der Wasserverbrauch zugenommen hat. Auch Beschwerden über Lärm und Geruch oder die Zahl umweltrelevanter Verbesserungsvorschläge durch die MitarbeiterInnen sind aufgeführt.

„Früher haben die Unternehmen versucht, möglichst wenig mitzuteilen und vor allem Probleme hinterm Berg zu halten“, sagt Gabriele Wagner-Youngman, die bei der Trostberg AG für die Umweltkennzahlen zuständig ist. Doch die Erfahrung, daß der Vertrauensverlust durch schwere Unfälle wie in Bophal oder aber durch eine Pannenserie in Frankfurt geschäftsschädigend war, habe zum Umdenken geführt. Auch wenn eine Firma die Verschlechterung bestimmter Werte einräumen müsse, sei das ein Signal, daß man das Problem erkannt habe und an seiner Beseitigung arbeite, sagt Wagner-Youngman.