Kommentar
: Rettet den ICE!

■ Wenn schon sparen, dann beim Autoverkehr

Man sollte nicht auf dem ICE herumhacken. Er ist eine gute Sache. Gerade BerlinerInnen erinnern sich mit Grausen an vergangene Zeiten der lahmen Bahn. Auch Anfang der 90er Jahre dauerte eine Fahrt ins Ruhrgebiet noch sechs Stunden, was nicht nur Eltern mit kleinen Kindern erhebliche Kraft kostete. Heute braucht die Schnellbahn nur noch vier Stunden – mit ordentlich Pommes und Eis im Speisewagen kann man die kleinen Nervensägen in dieser Zeit noch so eben im Zaume halten.

Deshalb sind der Strategiewechsel der Bahn AG und der Stopp des ICE-Neubaus zwischen Nürnberg und Erfurt durch Verkehrsminister Franz Müntefering zwiespältige Entscheidungen. Zwar würde die neue Schnellbahntrasse unberührte Ecken des Thüringer Waldes zerschneiden und angesichts verringerter Passagierprognosen einen Fehleinsatz knappen Geldes bedeuten. Auf den Bau an dieser Stelle zu verzichten ist richtig.

Sollten Bahn und Bundesverkehrsministerium den Neubau von Schnellstrecken nun aber vollkommen einstellen, würden sie damit übers Ziel hinausschießen. Die Bahn muß im Wettbewerb zum Flugverkehr auf kurzen und mittleren Strecken eine Alternative bieten, die auch zeitlich konkurrenzfähig ist. Sonst nimmt die Fliegerei mit ihren erheblichen Umweltbelastungen weiter zu.

Angesagt wäre also ein ausgewogenes Sowohl-Als-auch. Das Bahnnetz in den Regionen muß flächendeckend besser, schneller und billiger werden. Das scheint das „Unternehmen Zukunft“ nun endlich erkannt zu haben. Andererseits ist gegen rasante Züge zwischen den Metropolen nichts einzuwenden, wenn sie keinen ökologischen Kahlschlag in der Natur hinterlassen. All das kostet natürlich Geld – mehr, als der Verkehrswegeplan des Bundes für den Schienenverkehr bereitstellt.

Wo hier gespart werden muß, liegt auf der Hand: Nicht beim ICE, sondern auf jeden Fall beim Straßenverkehr. Die vierte Eckverbindung am Autobahnring einer Großstadt kann man sich schenken, und nicht jedes mittlere Regionalzentrum braucht einen Asphaltzubringer – ausgelegt für 180 Stundenkilometer. In der Bahn-Politik deutet sich nun ein weitgehender Richtungswechsel an – in bezug auf die gesamte Verkehrspolitik steht er jedoch noch aus. Hannes Koch

Tagesthema Seite 3