Lügen und Tricksen können andere besser

betr.: „Bündnisgrüner Nachwuchs will der Partei einheizen“ u. a., taz vom 28. 6. 99 ff

Also, liebe Realissimos – auch ich habe endlich verstanden. Ihr habt da mit Joschkas und Rezzos wohlgefälliger Duldung wieder ein Pamphlet fabriziert, das längst auf dem grünen Mainstream schwimmt. Trennung von Amt und Mandat sind schon lange passé, genausogut geht mir auch die Pragmatik bei der Verhandlung der AKW-Restlaufzeiten rein, der grüne Pazifismus liegt irgendwo zwischen Priština und Belgrad begraben. Die Ökosteuer stopft Haushaltslöcher, fördert aber keine regenerativen Energien; auch die Rente wird zum Spielball der Haushaltssanierung. Die Grünen sind so koalitions- und regierungsfähig geworden, daß sie noch meinen, sie hätten im Schlagschatten des Zufalls-SPDlers Schröder den vornehmsten Platz an der Sonne erwischt!

Hochverehrter Student Berninger, wenn ich niemand empfehlen konnte, die Grünen bei der Europawahl zu wählen, dann liegt das daran, daß sogenannte Pragmatiker wie Sie nichts als Grünen-Vertreter in einem Parlament zu suchen haben. Nun, bald werden auch Christian Ströbele und Jürgen Trittin aus der Partei rausgeekelt worden sein, dann werden Sie der Vorzeige-Grüne sein! Zu diesem nicht mehr allzu fernen Zeitpunkt werden die Grünen aber bereits eine vollständig, um das mit Ihren und den Worten Ihrer Gesinnungsgenossen auszudrücken, rechte Folkloregruppe sein.[...] Raimund Tremmel, Waldsee

[...] Bei Eurem „Aufstand“ vermisse ich die Inhalte. Ihr wollt die Form ändern, Leute entfernen, Regeln aufstellen, die Schlagkraft der Grünen verbessern. Sehr gut, das will ich auch. Aber für welche Ziele wollt Ihr das tun? Ihr nennt uns „Regierungspartei“. Ob nun Regierung oder Opposition – es kommt doch nur darauf an, wie man unter den gegebenen Umständen am meisten unsere Inhalte durchsetzt. [...] Das Mitregieren bietet sich in erster Linie an. Aber ich kann leicht belegen, daß ich als Abgeordneter der Opposition mit meiner Fraktion in zwei Jahren mehr Grünes in praktische Politik umsetzen konnte als unser grüner Senator in derselben Zeit. So dürfen die Verhältnisse eben nicht sein! Oder konkret: Wenn ein grüner Umweltminister die EU-Ratspräsidentschaft dazu ausnutzt, mit Verfahrenstricks eine von allen anderen Ländern ursprünglich gewollte Altautoverordnung zu kippen, bedroht diese Tatsache die Existenz der Grünen mehr als jedes Schnattermaul, das ungefragt seinen Senf dazugibt.

Kümmert Euch um das Wesentliche! Seht endlich zu, daß grüne Politik wirklich gemacht wird – oder zeigt, daß dieses mit der SPD nicht geht, und steigt aus. Bei uns führt nur Gradlinigkeit zum Erfolg. Lügen und Tricksen können die anderen besser. Klaus Gärtner, Hamburg