Selten: Eine erfolgreiche UN-Mission

In der Zentralafrikanischen Republik sichern UN-Blauhelme relativ effektiv die Präsidentschaftswahlen am kommenden Sonntag. Hoffnung auf eine erste ordnungsgemäße Regierung    ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) – Können UN-Blauhelme in einer politisch explosiven Situation den Ausbruch von Gewalt verhindern? Diese Frage wird ab Sonntag in der Zentralafrikanischen Republik beantwortet, wo mit 1.252 Soldaten die derzeit größte militärisch aktive UN-Mission außerhalb des ehemaligen Jugoslawiens stationiert ist.

Die Blauhelme aus Westafrika, Ägypten und Kanada rückten im Frühjahr 1998 in die zentralafrikanische Hauptstadt Bangui ein. Sie lösten eine afrikanische Eingreiftruppe ab, die seit 1996 das Regime von Präsident Ange-Felix Patassé vom Sturz durch eine Reihe blutiger Armeemeutereien bewahrt hatte. Die UN-Truppen sicherten Ende 1998 die Wahl eines neuen Parlaments, und jetzt überwachen sie die erste relativ geregelte Präsidentschaftswahl in der zentralafrikanischen Geschichte.

Wenn alles nach Plan geht, hat die Zentralafrikanische Republik dann zum ersten Mal eine ordnungsgemäße Regierung. Das bitterarme Land verfügte noch nie über ein richtiges Staatswesen. Weite Teile des Staatsgebietes, wo sich 3,5 Millionen Menschen auf der anderthalbfachen Fläche Deutschlands verlieren und Infrastruktur weitgehend unbekannt ist, sind faktisch Privatgüter lokaler Fürsten.

Präsident Patassés „Befreiungsbewegung des Zentralafrikanischen Volkes“ (MLPC), die 1993 bei den letzten Wahlen die Macht erlangte, sieht sich zwar als Emanzipationsbewegung für die bäuerliche Mehrheit, agiert aber in den Augen vieler Kritiker lediglich als eine weitere Mafia. Das Land ist heute faktisch zerfallen. Jeder Staatschef muss damit rechnen, in den Bastionen seiner Gegner umstandslos ignoriert zu werden. Die Erregung der Zentralafrikaner angesichts der Wahl hält sich daher in Grenzen. Als „erstaunlich ruhig“ charakterisiert ein Beobachter die Lage. Oluyemi Adeniji, Leiter der UN-Mission, versichert, die UNO habe „alles unter Kontrolle“.

Das muss aber nicht so bleiben. Kaum jemand rechnet damit, dass Patassé schon am Sonntag im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit erhält. Die neun Kandidaten der Opposition wollen am 3. Oktober in der Stichwahl gegen Patassé einen gemeinsamen Kandidaten unterstützen, um so zu gewinnen. Es ist aber nicht sicher, dass Patassés Partei eine Niederlage akzeptiert. Und das Oppositionsbündnis hat bereits erklärt, es werde einen Sieg Patassés nicht anerkennen.

Die Opposition wirft der Regierung massiven Betrug im Vorfeld der Wahlen vor, zum Beispiel eine wundersame Wählervermehrung in Regierungshochburgen. Von unabhängiger Seite wird bestätigt, dass in der nördlichen Präfektur Ouham die Zahl der eingeschriebenen Wähler im Vergleich zur Parlamentswahl um 53 Prozent zugenommen habe. Auch andere Vorkommnisse stärken das Misstrauen der Opposition. So hat die Verteilung der Wahlkarten an die Wähler im 2. Bezirk der Hauptstadt und in der westlichen Stadt Berberati – beides Hochburgen des früheren Diktators und aussichtsreichsten Oppositionskandidaten André Kolingba – erst gestern überhaupt begonnen.

Die Betrugsvorwürfe der Opposition weist UN-Missionschef Adeniji zurück. „Dieser Vorwurf wird in allen afrikanischen Wahlen erhoben“, wiegelte er gegenüber der taz ab. Die Vorwürfe der Oppositionsallianz, so Adeniji, „repräsentieren nicht die Sicht jedes ihrer Mitglieder“.

Ein Oppositionsaktivist meint dazu: „Die UNO unterstützt Patassé.“ Die UNO hat aber in öffentlichen Berichten vor allem Sorge um den mangelnden Reformwillen der Regierung geäußert. Die Wahlen spielen sich also in einem Dreieck des Misstrauens ab: Die Opposition traut der UNO nicht, die UNO traut der Regierung nicht, und die Regierung traut der Opposition nicht.

Aber in einem Land, in dem die meisten Familien nur einmal am Tag essen, in dem drei Viertel der Kinder aufgrund von Mangelernährung an Blutarmut leiden und schätzungsweise ein Viertel der Bevölkerung HIV-infiziert ist, haben die Menschen andere Sorgen als parteipolitischen Streit. Die UN-Präsenz schützt die Gesellschaft vor den Exzessen der Politiker und ist daher unverzichtbar. Ohne die UNO wäre die Bevölkerung den existierenden Mächten schutzlos ausgeliefert: Der Armee, einem heruntergekommenen Haufen von Volksgenossen des früheren Diktators Kolingba, sowie den finsteren Gestalten in der Präsidialgarde, die der Ethnie Patassés angehören und entgegen den Forderungen der UNO noch immer zuweilen auf den Straßen Banguis aktiv sind.