Querkopf ins Kabinett gesperrt

Schröder holt den saarländischen Wahlverlierer Reinhard Klimmt als Verkehrsminister nach Berlin. Motto: Parteilinke mit neuen Posten beschäftigen   ■  Von Karin Nink

Berlin (taz) – Es wurden viele Namen gehandelt, als es in den vergangenen Tagen darum ging, wer Nachfolger von Franz Müntefering als Bundesverkehrs- und Bauminister werden soll. Doch einer wurde nie erwähnt: Reinhard Klimmt.

Er hatte am vergangenen Sonntag als SPD-Ministerpräsident und Spitzenkandidat im Saarland die Landtagswahl für seine Partei verloren. Nun hat Bundeskanzler Schröder ihn zum Nachfolger Münteferings ernannt, der am Montag als designierter Generalsekretär der SPD vorgestellt worden war.

Selbst innerhalb der SPD war man von der Ernennung Klimmts überrascht. Schließlich hat der Saarländer sich bisher in keiner Weise als Verkehrs-oder Baufachmann ausgewiesen.

Für seine Berufung spricht in erster Linie machtpolitisches Kalkül: Zum einen will Kanzler Schröder mit dieser Entscheidung die Parteilinke, zu der der Lafontaine-Vertraute Klimmt zählt, besänftigen. Zum anderen bindet er seinen derzeit schärfsten parteiinternen Kritiker in die Kabinettsdisziplin ein.

Der 57-jährige Klimmt hatte sich in den vergangenen Wochen vor allem durch seine heftige Kritik am Sparpaket der Bundesregierung im Saar-Wahlkampf profiliert. Noch am Freitag vor der Wahl hatte er angekündigt, als neu gewählter saarländischer Ministerpräsident im Bundesrat gegen die Rentenreform und damit auch gegen das gesamte Sparpaket der rot-grünen Koalition zu stimmen.

Als Bundesverkehrsminister wird er sich zu dieser Frage öffentlich nicht mehr äußern können. Das verhindert zum einen die Kabinettsdisziplin. Zum anderen hat Klimmt in all den Jahren, in denen er an der Saar als Lafontaine-Kronzprinz gehandelt wurde, mehr als einmal bewiesen, dass er ein loyaler und solidarischer Mitstreiter seines jeweiligen Vorgesetzten ist.

Erst als Lafontaine nach Bonn gewechselt und Reinhard Klimmt Ministerpräsident in Saarbrücken geworden war, schärfte er sein Profil und setzte sich deutlich von seinem engen Freund ab. Schröder muß also nicht fürchten, dass Oskar über den Strohmann Klimmt im Kabinett wieder mit regiert.

Man tut dem studierten Historiker, der seine Doktorarbeit über die Sicherheitsdienste im Dritten Reich allerdings nie vollendet hat, aber Unrecht, wenn man ihm unterstellt, dass er bereitwillig seine Überzeugung verrate, nur um in Berlin Minister zu werden. Für den Kabinettsposten spricht in Klimmts Augen, dass er als Bundesminister auf die Politik der rot-grünen Koalition zweifellos mehr Einfluss ausüben kann denn als Oppositionsführer im kleinsten Flächenstaat der Republik.

Schröder soll Klimmt schon am Montag den Ministerposten angeboten haben. Von seinem eigentlichen Wunschkandidaten Siegmar Mosdorf war der Kanzler offensichtlich schnell abgerückt, um nach den verhagelten Wahlen weiteren Ärger mit der Parteilinken zu vermeiden. Denn Wirtschaftsstaatssekretär Mosdorf ist bei linken Genossen als „Debis-Daimler-Dasa“-Mann verschrieen. Erst recht, seit er – so Parteigerüchte – während einer Mexiko-Reise den Rücktritt Oskar Lafontaines vor deutschen Industriellen mit Applaus begrüßt haben soll.

Von der Berufung Reinhard Klimmts gar nicht begeistert sind die Genossen an Rhein und Ruhr. Sie hatten aus Proporzgründen lange darauf gepocht, dass bei einem Ausscheiden des Nordrhein-Westfalen Müntefering ein anderer NRWler mit diesem Amt betraut werden müsste. Im Gespräch waren vor allem die Finanzexperten Joachim Poß und Barbara Hendricks, NRW-Wirtschaftsminister Peer Steinbrück und die Sozialpolitikerin Ulla Schmidt.

Letzlich kann Nordrhein-Westfalen gegen den neuen Verkehrsminister aber wenig sagen. Klimmt zählt innerhalb der Partei zu den wichtigsten Figuren, und der Landesverband NRW ist mit der Benennung seines Vorsitzenden Müntefering zum designierten SPD-Generalsekretär bestens bedient worden.

Schließlich ist der Westfale in der neuen SPD-Quadriga noch vor Verteidigungsminister Rudolf Scharping und Finanzminister Hans Eichel der wichtigste Mann. Und ohne die Zustimmung des NRW-Landesvorsitzenden Müntefering wäre Klimmt nie Verkehrsminister geworden.