Reicher Süden bekommt Recht und zahlt die Zeche trotzdem

■  Bundesverfassungsgericht verfügt: Das Gesetz über den Finanzausgleich zwischen armen und reichen Bundesländern muss nachgebessert werden

Bremen (taz) – Ein Urteil, viele grundverschiedene, aber gleichermaßen zufriedene Interpretationen: Der höchstrichterliche Spruch aus Karlsruhe zum bestehenden Länderfinanzausgleich wurde gestern von allen Seiten positiv bewertet. Laut Urteil muss das Gesetz über den Finanzausgleich zwischen armen und reichen Bundesländern von der Politik bis Ende 2002 neu geregelt werden. Die jetzige Regelung bleibt bis 2004 gültig.

Von einer „schallenden Ohrfeige des Gerichts für die klagenden Länder“ sprach Niedersachsens Ministerpräsident Gerhard Glogowski (SPD) in Bremen. Dort findet zur Zeit die jährliche Konferenz der Länderchefs statt. Auch aus Sicht des sachsen-anhaltinischen Ministerpräsidenten Reinhard Höppner (SPD) ist der „Versuch der Geberländer gescheitert, den Länderfinanzausgleich zu kippen“. Die drei klagenden Länder Bayern, Baden-Württemberg und Hessen dagegen feierten sich als Sieger. Der Spruch sei eine Bestätigung, dass der geltende Finanzausgleich „im Prinzip verfassungswidrig“ sei, sagte Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU). Eine Reihe von Forderungen der zahlenden Länder sei in das Urteil eingegangen. Das Gericht fordere neue Regelungen sowohl für die Verteilung des Umsatzsteueraufkommens als auch beim Finanzausgleich zwischen den Ländern und bei den Bundesergänzungszuweisungen für finanzschwache Länder. Ein derart klares Urteil hätte er sich „nicht träumen lassen“.

Stoiber sprach von einem „guten Tag für den Föderalismus und den Wettbewerb zwischen den Ländern“. Baden-Württembergs Regierungschef Erwin Teufel (CDU) gab sich zuversichtlich, dass durch den Länderfinanzausgleich in Zukunft die „finanzstärksten Länder nicht mehr zu den finanzschwächsten“ gemacht werden könnten.

Auf dem Prüfstand stehen nun auch die verschiedenen Sondermittel für die drei Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen. Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen räumte ein, dass das Urteil für die Stadtstaaten mit Risiken verbunden sei. Eine ausweglose Situation sehe er aber nicht. Seine Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) ging davon aus, dass auch nach dem Urteil Raum für eine Begünstigung der drei Städte bliebe. Hamburgs Regierungschef Ortwin Runde (SPD) sagte, die besondere Situation der Stadtstaaten sei „nicht in Frage gestellt“ worden. Für Gegenspieler Stoiber aus Bayern dagegen war klar, dass in Zukunft einige Sonderregelungen der Stadtstaaten – wie eine höhere Wertung der Einwohnerzahl oder zusätzliche Mittel für die Belastung für Häfen – wegfallen werden.

Gegenseitig beschuldigten sich die Konfliktparteien dafür, dass wieder einmal ein politischer Konflikt vor dem Bundesverfassungsgericht ausgetragen wurde. Ohne Klage hätte man sich schon vor einem Jahr zusammensetzen können, um zu verhandeln, sagte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Höppner. Erwin Teufel aus Baden-Württemberg hingegen warf den Empfängerländern vor, es habe keine Bereitschaft zur Verhandlung gegeben. Deshalb habe man vor Gericht gehen müssen . Christoph Dowe

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