Jüdischem Museum droht Komplettumbau

■  Wegen falscher Besucherprognosen prüfen Experten den Einbau neuer Klimatechnik für 20 Millionen Mark. Der geplante Eingriff droht die Eröffnung des gerade fertig gestellten Hauses um bis zu zwei Jahre zu verzögern

Das Jüdische Museum muss möglicherweise noch vor der Eröffnung völlig umgebaut werden. Wie die taz aus Senatskreisen erfuhr, sagte Kultursenator Peter Radunski (CDU) auf der Senatssitzung in der vergangenen Woche, er benötige 20 Millionen Mark für den Einbau einer komplett neuen Klimatechnik in das gerade erst fertiggestellte Haus.

Die ursprünglichen Besucherprognosen für den 120 Millionen Mark teuren Bau, so Radunskis Erklärung, seien viel zu niedrig gewesen. Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD) hat es dem Vernehmen nach abgelehnt, der Mehrausgabe ohne schriftliche Vorlage zuzustimmen. Jetzt soll bis Jahresende geprüft werden, ob der erwartete Ansturm auch ohne den Einbau einer neuen Klimaanlage bewältigt werden kann.

Entscheiden sich die Experten tatsächlich für eine neue – so der Fachjargon – „raumlufttechnische Anlage“, würde sich die für Herbst 2000 geplante Eröffnung des Museums um bis zu zwei Jahre verzögern. Eine völlige Umrüstung würde nach Ansicht eines Experten bedeuten, „dass man das halbe Haus klein schlagen müsste“. Überall müssten dickere Leitungen verlegt und größere Absaugpumpen installiert werden. Eine neue Baugenehmigung und öffentliche Ausschreibungen wären dafür erforderlich. Allein zwei Millionen Mark wären nötig, um die Räume nach dem Ende des Umbaus neu streichen zu lassen.

Die ursprüngliche, gut drei Millionen Mark teure Anlage war Ende der 80er-Jahre bewusst sparsam ausgelegt worden. Damals war der Bau des amerikanischen Architekten Daniel Libeskind noch als bloßer Erweiterungsbau des Berlin-Museums konzipiert, nur ein Zehntel der Ausstellungsfläche sollte der Jüdischen Abteilung dienen. Daher rechneten die Planer mit den Besucherzahlen eines schnöden Heimatmuseums. Ein Jüdisches Museum von internationalem Rang aber wird einen ganz anderen Andrang bewältigen müssen. Allein die Zahl der Führungen durch das leerstehende Gebäude hat sich von 189 im Februar auf 776 im Oktober vervierfacht.

Hinzu kommt, dass die Ausstellungsmacher ein multimediales Konzept verfolgen – denn der Einbau zweier Kinosäle und zahlreicher elektronischer Geräte belastet die Belüftungstechnik zusätzlich. Zudem lassen die Planer durchblicken, dass Museumsdirektor Michael Blumenthal als Amerikaner höhere Ansprüche an die Leistungsfähigkeit einer Klimaanlage stellt, als in Europa üblich.

Von Fachleuten wird die Forderung nach einer Maximallösung jedoch als „hysterisch“ bewertet. Es sei schwer vorstellbar, auf der Grundlage bloßer Prognosen derartige Kosten und Verzögerungen in Kauf zu nehmen. Eine Beschränkung der Besucherzahlen in Spitzenzeiten gilt als mögliche Alternative, aber auch eine „Hochrüstung“ der bestehenden Anlage wird geprüft. Der von Radunski genannte Betrag von 20 Millionen Mark sei eine „Maximalforderung“, heißt es. Ralph Bollmann