Weiter PR-Schlacht ums Atom

■ Demo am Samstag in Berlin, Drohungen der Atomindustrie zum Ausstieg. Treffen zu baldigem Strahlentransport aus Frankreich nach Gorleben

Berlin (taz/dpa) – Am Samstagmittag werden in Berlin die Trecker aus dem Wendland zur Stunkparade quer durch die Stadt über das Brandenburger Tor zum Alexanderplatz rollen. Sie werden die große Herbstdemo der Antiatomkraftbewegung begleiten. Und das Timing der Demo könnte auch nicht besser sein. Denn die Verhandlungen zum Atomkonsens sind in der Endphase.

Um die Öffentlichkeit nicht den Atomkraftgegnern zu überlassen, ist derzeit auch die deutsche Stromwirtschaft sehr auskunftsfreudig. Sollten die Gespräche mit der Regierung über einen Ausstieg im Konsens scheitern, werde die Industrie vor das Bundesverfassungsgericht ziehen und Schadenersatzforderungen „in zweistelliger Milliardenhöhe“ stellen, sagte der Chef der Bayernwerk AG, Otto Majewski, am Mittwoch im ZDF-„heute journal“.

Für den Fall, dass sich Konzerne und Regierung nicht einigen können, arbeiten die Bundesministerien an einem Ausstiegsgesetz. Die Endfassung des Textes durch die Staatssekretäre wird laut Wirtschaftsminister Werner Müller noch einige Zeit dauern, da schwierige verfassungsrechtliche Fragen zu prüfen seien. Außerdem sei immer noch ein Konsens möglich, so Müller.

Das Bundesumweltministerium hat beim Frankfurter Rechtsprofessor Erhard Denninger ein Gutachten erarbeiten lassen. Ergebnis: Der Atomausstieg per Gesetz sei keine Enteignung, sondern eine Nutzungsbeschränkung, die nicht entschädigungspflichtig sei. Laut Denninger ist eine Laufzeit von 25 Jahren völlig ausreichend, damit sich das beim Bau und Betrieb eines Atomkraftwerkes eingesetzte Kapital amortisiere. Dieses Gutachten gefiel Bayernwerk-Vorstand Majewski überhaupt nicht. Es vertrete eine krasse Außenseiterposition“. Nach Einschätzung von Bundeswirtschaftsminister Müller im ZDF wird die Einigung über die Restlaufzeit eh nicht bei 25 Jahren liegen, sondern „30 Jahre oder ein bisschen mehr“ betragen.

Wesentlich schneller soll es beim Rücktransport hoch radioaktiven Atommülls aus der Wiederaufarbeitungsanlage im französischen La Hague nach Deutschland gehen. Für die Transporte nach Gorleben fand gestern ein Treffen im Bonner Bundesumweltministerium statt – samt Innenministerien Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sowie den restlichen Genehmigungsbehörden für den Bahntransport und die Einlagerung. Der Stand der Vorbereitungen sollte geklärt werden, samt möglichen Strecken. Genaueres war nicht zu erfahren.

Das Thema hat Eile, weil Premierminister Lionel Jospin wohl bei den deutsch-französischen Regierungskonsultationen Ende November darauf dringen wird, sechs Castor-Behälter mit hoch aktiven Reststoffen umgehend aus der WAA nach Deutschland zu transportieren. Paris pocht auf eine Zusage von Umweltminister Jürgen Trittin, die Voraussetzungen für solche Transporte noch 1999 zu schaffen. rem

Demo 13. November in Berlin: Trecker ab 11 Uhr Ernst Reuter Platz, Breitscheidplatz, Großer Stern, Brandenburger Tor (12 Uhr), von dort mit Demozug bis Alexanderplatz, Kundgebung mit Internationalen Experten 14 Uhr