■ Kommentar
: Helmut Kohl bleibt Helmut Kohl

Die Parteispendenaffäre ist keine Überraschung

Es ist raus: Die CDU hat jahrelang schwarze Kassen geführt, und der Mann, der über 20 Jahre lang an der Spitze dieser Partei stand, übernimmt dafür die Verantwortung. Ist Helmut Kohl jetzt noch Helmut Kohl? Wankt unser Weltbild?

Wenn Kohl der Gleiche geblieben ist, der er immer war, dann ist er noch Helmut Kohl. Dann ist er der, den wir früher kannten, bevor er eine Wahl verlor: ein Machtpolitiker, eine Kampfmaschine, Herrscher über seine Familie, die CDU, skrupellos wie kaum ein anderer. An diesem Bild ändert der jüngste Skandal gar nichts. In dieses Bild passt die Vorstellung, dass Kohl seine Partei auch mit Geld versorgt hat, selbstverständlich im Verborgenen. Mehr noch, unser Kohl-Bild erzwingt diese Vorstellung geradezu. Keiner kann doch über die Parteispendenaffäre ernsthaft erstaunt sein. Was wäre der ewige Kanzler ohne sie?

Wenn Helmut Kohl allerdings der ist, zu dem wir ihn in den letzten Monaten gemacht haben, dann hat er jetzt ein Problem. Popstars machen keine dunklen Geschäfte, jedenfalls wollen wir nicht, dass sie welche machen. Wenn wir davon erfahren, lassen wir sie fallen, ganz schnell und ohne Gnade.

So oder so – das Finanzgebaren der CDU und ihres großen Vorsitzenden ist ein politischer Skandal. Aber einer, der maßgeschneidert in die 80er-Jahre passt, zu Flick, zu Bitburg, zur Kießling-Affäre, in eine Zeit, in der der Spiegel noch richtig groß war und nicht von der Süddeutschen Zeitung abschreiben musste. Heute lassen sich Ministerpräsidenten ihre Hochzeitsfeier von mittelmäßigen Brauereien sponsern.

Wie sehr sich die Zeiten geändert haben, zeigt auch der Umgang mit solchen Skandalen. Wo früher jahrelang ausgesessen wurde, wird heute sofort gehandelt. Der niedersächsische Ministerpräsident Glogowski hielt sich nicht einmal eine Woche, und die CDU-Führung um Schäuble und Merkel hat, nach einer kurzen Phase der Desorientierung, Kohl zu einem schnellen Geständnis gedrängt.

Das wird der Partei nicht nur helfen, endlich aus dem Schatten ihres Ehrenvorsitzenden herauszutreten. Der CDU könnte es mit ihrem Krisenmanagement sogar gelingen, dass die ganze Geschichte zur nächsten Wahl halbwegs vergessen ist. Früher waren nämlich nicht nur die Skandale größer, größer war auch unsere Empörung. Jens König