■ CDU: Schäuble und Rühe drücken sich vor der Verantwortung
: Lieber dumm als ehrlich

Die Erleichterung, die führende CDU-Politiker nach der Erklärung ihres Ehrenvorsitzenden Helmut Kohl bekunden, offenbart überhaupt erst, wie tief auch diejenigen im Sumpf stecken, die sich daraus zu befreien suchen. Kohl hat endlich persönlich eingeräumt, was ohnehin nicht mehr zu bestreiten war. Nun verkünden seine Parteifreunde stolz, es stehe fest, dass niemand sich im Zusammenhang mit dem Finanzskandal persönlich bereichert habe, schon gar nicht der ehemalige Bundeskanzler – und die der CDU zugedachten Finanzmittel seien ihr auch vollständig zugeflossen. Und das soll die ganze Angelegenheit besser machen?

Es macht sie schlimmer. Die Stellungnahmen zeugen davon, dass die CDU-Spitze noch immer nicht verstanden hat, worin das Problem eigentlich besteht. Wenn Kohl die Spendengelder doch nur am Roulettetisch verspielt hätte! Der Fall wäre eindeutig. Großmut und Mitgefühl mit einem verdienten Staatsmann ließen sich an den Tag legen, und die Sache wäre vom Tisch. Wenn aber Zuwendungen ungeklärter Herkunft und ungewisser Größenordnung an eine Partei von deren Führungskräften für weniger anrüchig gehalten werden als individuelle Gier, dann legt das den Verdacht nahe, dass die Politiker jegliche Reglementierung des Getzgebers hinsichtlich der Parteienfinanzierung für vernachlässigbar halten.

Eine Partei ist keine karitative Einrichtung, und Helmut Kohl hat mit den Spenden nicht dafür gesorgt, dass hungernde Kinder etwas zu essen bekommen. Eine Partei verfolgt politische Ziele. Wer sie unterstützt, der wünscht ihr bei der Durchsetzung dieser Ziele möglichst viel Erfolg, sonst bräuchte er sie nicht zu unterstützen. Es geht gar nicht um die Frage, ob einzelne Unternehmen sich die eine oder andere konkrete Entscheidung mit Hilfe von Spenden erkauft haben. Sie wollten, dass insgesamt die Richtung stimmt – und sie hat gestimmt.

Es ist kein Zufall, dass die Unionsparteien und die FDP im Zusammenhang mit Parteispenden mehr Dreck am Stecken haben als Sozialdemokraten und Bündnis 90/ Die Grünen. Die Großindustrie fühlt sich mit ihren Interessen von den bürgerlichen Parteien besser vertreten als vom ehemals linken Spektrum der politischen Landschaft. Gelegentlich ist Politik so schlicht, wie es einfache klassenkämpferische Parolen besagen.

Das mindert die Tragik derjenigen nicht, die gegenwärtig den Kurs der CDU bestimmen. Sie hatten hinsichtlich ihrer Handlungsmöglichkeiten niemals eine Wahl. Volker Rühe behauptet, als Generalsekretär der CDU nichts von den Sonderkonten gewusst zu haben. Ihm ist es im Augenblick offenbar lieber, wenn Zweifel an seiner Intelligenz entstehen als an seiner Ehrlichkeit. Das ist bei jemandem, der – zunächst – ausgerechnet in Schleswig-Holstein zum Ministerpräsidenten gewählt werden möchte, verständlich, aber dennoch wenig glaubhaft. Gerade Rühe ist dafür bekannt, sich für jedes noch so scheinbar unwichtige Detail auch an der Peripherie seines Verantwortungsbereichs zu interessieren. Geld und die Fragen, woher es kommt und wohin es geht, sind noch nicht einmal unwichtige Details.

Wie oft mag er, wie oft mag Wolfgang Schäuble in den letzten Tagen gewünscht haben, zugeben zu dürfen: Ja, wir haben von dem dubiosen Finanzierungssystem der Partei gewusst. Nein, wir konnten nichts dagegen unternehmen. „Helmut, lös die Konten auf!“ Wäre der damals mit fast unumschränkter Macht herrschende Parteivorsitzende von einer solchen Aufforderung beeindruckt gewesen? Hätte er Konsequenzen gezogen? Ach was. Das ist lächerlich. Heiner Geißler kann ein Lied davon singen, was Widerständlern in der CDU widerfuhr.

Was, wenn Schäuble und Rühe ihr Dilemma jetzt einräumten? Wenn sie zugäben, keinen Ausweg gesehen zu haben und sich nun die Forderung des ehemaligen SPD-Bundeskanzlers Helmut Schmidt zu Eigen machten, der Unternehmensspenden an Parteien grundsätzlich verboten sehen will? Es wäre ein Befreiungsschlag, aber allein die Vorstellung ist naiv. Zu viele Jüngere drängen an die Spitze, die zu Zeiten des Systems Kohl zu jung und zu unbedeutend waren, um sich darin zu verstricken. Wie hätten sie sich im Zweifelsfall verhalten? Na eben. Die CDU sitzt in der Falle. Bettina Gaus