Die Sekretärin zittert mit dem Sturm

■ Beim FC Union bekommen jetzt alle Mitarbeiter Prämien, wenn die Mannschaft siegt

Marlis Bredow hat schon viel erlebt als Sekretärin des 1. FC Union. Präsidenten kamen und gingen, Konkursanträge wurden gleich dutzendweise abgeschmettert, seitdem die 50-Jährige vor zehn Jahren auf der Geschäftsstelle des einst als Skandalnudel verschrienen Fußballvereins in Köpenick anfing. Eigentlich könnte diese Frau nichts mehr schocken, sollte man meinen. Doch jetzt zeigt sich die „gute Fee“ überrumpelt vom Ideenreichtum des Vereinsvorsitzenden Heiner Bertram.

„Das habe ich noch nie erlebt“, gesteht Bredow. Auslöser ihrer fassungslosen Verblüffung ist ein Erlass der Klubleitung, der im deutschen Fußball wohl einmalig sein dürfte: Demnach erhalten alle „zivilen“ Angestellten des Vereins, vom Zeugwart bis zum Manager, eine ansehnliche Prämie, falls ihre rot-weiß uniformierten Spieler auf dem Rasen reüssieren: Pro Heimsieg der Köpenicker Fußwerker bekommt jeder sonstige Mitarbeiter 150 Mark, für ein Unentschieden in fremden Stadien werden immerhin noch 100 Mark zusätzlich zum Monatsgehalt überwiesen. „Das ist eine tolle Geste“, freut sich Bredow, die sich dem Klub dadurch noch mehr verbunden fühlt, „obwohl ich schon genug mitzittere, wenn unsere Mannschaft spielt.“

Da kommt Freude auf rund um das Stadion „Alte Försterei“. „Die Prämie ist ein Dankeschön an alle Mitarbeiter, ohne deren Zutun der Erfolg der Mannschaft letztlich gar nicht möglich wäre“, rechtfertigt Bertram den Geldsegen. Die Sache kann allerdings teuer werden. Die Berliner führen die Tabelle der Regionalliga Nordost nach 15 Spielen und nur einer Niederlage souverän an. Peinlich für den Prämien-Präsidenten war lediglich, dass die Einführung des Extrabonus für nicht kickende Untergebene zeitlich mit der gerade verdauten ersten Saisonpleite (1:2 gegen den Lokalrivalen Tennis Borussia) zusammenfiel.

Doch der Union-Boss verspricht Besserung. Gestützt auf den Rekordetat der Liga (stolze neun Millionen Mark) sowie seinen Sachverstand, verspricht Bertram für die restlichen zwei Spiele der Vorrunde – am Sonntag in Magdeburg, eine Woche später reist Zwickau an – einen warmen Geldregen zu Weihnachten. Sein Tipp: „In Magdeburg spielen wir unentschieden, gegen Zwickau gewinnen wir.“ Macht pro Nase der mehr als zehnköpfigen Belegschaft satte 250 Mark Erfolgsprämie. Schon wird auf den Stadionrängen spekuliert, wann Bertram sein Füllhorn über den Fans ausschüttet. Jürgen Schulz