Fünf Egel für ein Halleluja    ■ Von Wiglaf Droste

Auf der Bühne der Bar jeder Vernunft ist „das popkulturelle Quintett“ angekündigt. So wirft der Ullstein Verlag fünf jüngere Männer auf den Markt, so lassen sie sich werfen. „Tristesse Royale“ wird präsentiert, „fünf Autoren, fünf Haltungen, eine Generation“ sind angekündigt – „fünf Egel“, die „zeigen, wie man dem ganzen Schlamassel unserer Zeit mit Anstand entkommen kann“.

Fünf Egel? Wirklich Egel? Nicht Engel? Oder Ekel? Nein: mit voller Absicht „Egel“, englisch Suckers. Fünf Egel für ein Halleluja? Fünf braune Ledersessel stehen auf der Bühne; die Ullstein-Lektorin teilt mit, dass sie dem Restaurant Treviso entliehen sind. Die Sessel, nicht die Autoren.

Es beginnt mit Dias, von der Wiege bis zum Jetztgrab. Nur einem, dem Benjamin der Runde, ist diese Nabelschnurschau peinlich: Bilder von sich zeigt er keine. Dafür kann er vorlesen; die anderen vier stammeln eher, was nicht uncharmant sein müsste, wenn sie dabei nicht verkrampft versuchten, ihre Unfähigkeit zum guten Entertainment, dessen Mangel sie sehr bewehklagen, als Souveränität zu verkaufen. Das geht gar nicht. Die Geste der Arroganz implodiert, wenn sie im eigenen Schweiß steht.

Zäh zertropft die Zeit. Als man nach drei Stunden auf die Uhr sieht, sind erst 40 Minuten vorbei. „Wie dem auch sei“, liest einer seinen Kernsatz aus dem Buch. Das Schlimmste sei die Langeweile, sagt ein anderer. Das ist dann sehr langweilig. Das Publikum rutscht schon bald auf dem Hintern herum, beginnt halblaut zu sprechen. Mancher steht auf und geht, viele sieht man mürbe verzweifelt die Köpfe in die Hände stützen. Nicht wenigen ist glücklicher Schlummer vergönnt.

Vereinzelt verursacht das Ausmaß an Peinlichkeit und Schlechtsein auch Aggression. Die zieht vor allem, von ihm nachgerade herbeigebettelt, der Herausgeber von „Tristesse Royale“ auf sich, ein Herr Besing, der sich nach einem gescheiterten Dasein als B.Z.-Restaurantkritiker im Zivilleben offenbar gar nicht mehr zurechtfindet. Sein Gesicht, das vom Verzehr doofer Drogen glänzt wie ein schwitzender Hüttenkäse, zerknüllt er zu einer Maske der Blasiertheit. „Gleich an die Wand stellen!“, verlangt Susanne, die schönste Frau der Welt. – „Und dann für immer da stehen lassen“, mildert ihr Begleiter, denn der ist ein gelassener Humanist: „Das ist für so was die härteste Strafe.“

Aber wer will schon strafen? Spaß haben möchte man – nicht, weil die Redakteure des intellektuellen Trockendocks Die Zeit geschworen haben, den Spaß, den zu haben sie nicht in der Lage sind, auch anderen nicht zu gönnen. Sondern weil man das wirklich möchte. Nur ist Spaß selten das, was als Spaß verkauft wird. Ganz sicher aber ist es kein Spaß, Blödmännern beim Blödsein zuzugucken und -zuhören.

Ganz mutig machen sich die Ullstein-Boys über die her, die dieses Land wirklich regieren: Wolfgang Petry und die Scorpions. Das entstaubte Medium Lesung bringen sie auf die Günter-Grass-VHS-Gähn-Ebene zurück. Ausgerechnet sie, die Schnösel. Ist es wirklich die historische Aufgabe von Männern am Ende der Pubertät – Ende 20 bis Mitte 30 –, den vor Jahren von anderen längst heruntergetragenen Müll noch einmal zu sortieren?