Mahnwachen für den Frieden im Baskenland

Erstmals beteiligen sich alle baskischen Parteien an Mahnwachen, um die Separatistengruppe ETA von der Wiederaufnahme des Terrors abzubringen, den die ETA für heute angekündigt hat  ■   Aus Madrid Reiner Wandler

Punkt zwölf Uhr haben sich gestern im Baskenland die Menschen hinter den Transparenten versammelt, die sie noch vor 14 Monaten auf immer für überflüssig hielten. „Wir brauchen den Frieden“, heißt das Motto der fünfminütigen Mahnwachen, zu denen die baskische Regierung und alle baskischen Parteien aufgerufen haben. Die bewaffnete Separatistengruppe ETA soll so von der für heute angekündigten Wiederaufnahme der bewaffneten Aktionen abgehalten werden. Erstmals beteiligt sich auch die ETA-nahe Partei Herri Batasuna an den Mahnwachen.

Die Aktion ist das Ergebnis hektischer Aktivitäten hinter den Kulissen. Sowohl der spanische Regierungschef José Maria Aznar als auch sein Kollege in der baskischen Autonomie, Juan José Ibarretxe, haben sich wiederholt mit Vertretern der verschiedenen Parteien getroffen. Obwohl es kein Geheimnis ist, dass der Konservative und der Nationalist nicht immer einer Meinung sind, drangen dieses Mal keine Differenzen nach außen. „Die institutionellen Beziehungen sind intakt“, verlautete aus der Moncloa – ein Versuch, Einheit gegen ETA zu zeigen.

Doch Aznar hat das Tauziehen offensichtlich verloren. Seit ETA letzten Sonntag den Bruch der Waffenruhe bekannt gab, versuchte der spanische Regierungschef die gemäßigte Baskisch-Nationalistische Partei von Ibarretxe und deren Regierungspartner, die Baskische Solidarität, auf seine Seite zu ziehen, um nicht nur ETA, sondern auch deren politisches Umfeld zu isolieren. Aznar würde gerne den Antiterrorpakt, an dem alle Parteien mit Ausnahme von Herri Batasuna teilnahmen, wieder einrichten. Die Nationalisten, die ihn zum Platzen brachten, wollen davon jedoch nichts wissen.

Die Nationalisten setzen seit Sommer 1998 auf ein anderes Bündnis, den Pakt von Lizarra, der den Grundstein für die ETA-Waffenruhe legte. An dieser Runde nehmen 23 baskische Parteien, Gewerkschaften und gesellschaftlichen Gruppen teil – das politische ETA-Umfeld eingeschlossen –, um „für eine Dialoglösung“ des seit über 30 Jahre währenden Konfliktes zu arbeiten.

Die fünfminütigen Mahnwachen sind ein Zugeständnis der baskischen Regierung an Herri Batasuna, um den Pakt von Lizarra zu retten. Sie ersetzten die Großdemonstrationen, wie sie die spanienweit agierenden Parteien forderten. Herri Batasuna nimmt teil, „um die Kundgebungen mit Inhalten zu füllen“ und ihr Modell für ein unabhängiges Baskenland vorzustellen, so die offizielle Begründung der ETA-nahen Partei. Von einer eindeutigen Absage an ETA ist also nicht die Rede. Keiner weiß allerdings, wie lange die Zusammenarbeit hält, falls es ab heute tatsächlich zu Anschlägen kommen sollte.

Das spanische Innenministerium und die baskische Autonomiepolizei Ertzaintza sind auf alles vorbereitet. Während viele in Spanien den Tag der Verfassung am 6. Dezember trotz der angespannten Lage zu einem Kurzausflug nutzen werden, gilt bei den Polizeieinheiten Urlaubssperre. Der Begleitschutz für Kommunalpolitiker der Partido Popular von Aznar im Baskenland wurde ebenso verstärkt wie die Bewachung öffentlicher Gebäude in Madrid. Trotz des ernormen Polizeiaufgebots ist die Angst ins Baskenland zurückgekehrt. Ein für dieses Wochenende in San Sebastián vorgesehener Kongress mit 700 Teilnehmern aus der Telekom-Branche wurde kurzfristig abgesagt.