Der Tag hat keine 200 Stunden

Niedersachsens Wirtschaftsminister Walter Hirche lehnt im Transrapid-Untersuchungsausschuss jede Verantwortung für das Unglück auf der Teststrecke im Emsland ab. Grüne und SPD wollen trotzdem, dass der FDP-Mann zurücktritt

Mehrfach schaut Walter Hirche verzweifelt an die Decke, aber es hilft nichts: Die Abgeordneten von SPD und Grünen versuchen an diesem Tag im parlamentarischen Untersuchungsausschuss immer wieder, Niedersachsens Wirtschaftsminister die Verantwortung für das Transrapid-Unglück in die Schuhe zu schieben.

Er habe zwar für eine Anwendungsstrecke des Schwebezugs zwischen Amsterdam und Hamburg geworben, wand sich der FDP-Mann gestern. Mit der Transrapid-Sicherheit sei er aber gar nicht befasst gewesen, wiederholte Hirche mehrfach. Das habe er einem Referatsleiter in seinem Ministerium und der seinem Ressort untergeordneten Landesbehörde überlassen. „Minister können nicht urteilen über Operationen im Krankenhaus oder darüber, ob ein Transrapid gut oder schlecht ist“, sagte Hirche. Dass habe er wie seine SPD-Vorgänger den „Experten“ überlassen. Wenn er sich auch noch um die Sicherheit des Transrapids gekümmert hätte, müsste der „Tag 200 Stunden haben“, so der Minister.

Die Kontrolle durch das Land sei „sachgerecht und ausreichend“ gewesen, sagte Hirche, von einer „Atomisierung der Verantwortung“ könne keine Rede sein. Gleichwohl hatte er nach dem Unglück verfügt, dass ihm künftig auch kleinere Vorkommnisse direkt gemeldet werden.

Ob die „Eigenverantwortlichkeit Ihrer Mitarbeiter sachdienlich war“, bezweifelte der Grüne Enno Hagenah. Hirche versuche, die Verantwortung auf seine Mitarbeiter abzuschieben und sei deshalb „nicht zu halten“, verkündete Hagenah nach der rund dreistündigen Anhörung. Wegen eines „Organisationsverschuldens“ in Ministerium und Behörde müsse Hirche „die Verantwortung übernehmen“, verlangte der Grüne. Die Qualität der TÜV-Gutachter, die den Transrapid im Auftrag der Betreibergesellschaft überprüften, sei nicht gewährleistet gewesen. Zudem hätten sie viel zu wenig Zeit auf der Teststrecke verbracht.

SPD-Obmann Gerd Will forderte gestern unumwunden den Rücktritt des Ministers: Es könne nicht sein, dass „im Vorzimmer des Ministers die Informationskette abbricht“, sagte Will. Und: „Herr Hirche ist das Sicherheitsrisiko für die Anlage.“

Die Oppositon habe erneut „im Nebel herumgestochert“, konterten FDP und CDU. „Auch der amerikanische Präsident ist nach dem Absturz der Raumfähre ‚Columbia‘ nicht zurückgetreten“, sagte Hirche selbst.

Am 22. September waren auf der Versuchsstrecke 23 Menschen ums Leben gekommen. Um die politische Verantwortung zu klären, sind am 22. Februar auch Bahn-Chef Hartmut Mehdorn und der bayerische Verkehrsminister Erwin Huber (CSU) vor den Ausschuss geladen. KAI SCHÖNEBERG