Nato-Minister schreien nach Geld

Auf der Herbsttagung der Nato wird Stimmung gemacht für höhere Verteidigungshaushalte. Gemeinsame EU-Eingreifgruppe soll kommen   ■  Aus Brüssel Daniela Weingärtner

Seit gestern beraten die Verteidigungsminister der Nato in Brüssel über die geplante europäische Kriseneingreiftruppe und die Höhe der Militärausgaben in den europäischen Mitgliedsstaaten. Nato-Generalsekretär George Robertson erklärte, angesichts der Aufgaben, die bewältigt werden müssten, reiche ein auf Friedenszeiten zugeschnittener Militäretat nicht mehr aus.

Schon vor Beginn der zweitägigen Herbsttagung hatte US-Verteidigungsminister William Cohen am Mittwoch in Hamburg die europäischen Verteidigungsanstrengungen als ungenügend bezeichnet und vor allem die deutschen Rüstungsausgaben aufs Korn genommen. Cohen kritisierte die geplanten Kürzungen gestern erneut. Sie seien ein schlechtes Beispiel für die anderen Nato-Partner und das falsche Signal für die neuen Nato-Mitglieder Polen, Ungarn und Tschechien.

Auch der französische Verteidigungsminister Alain Richard forderte am Rande der Nato-Herbsttagung, die Verteidigungsausgaben der Mitgliedsstaaten müssten angeglichen und teilweise erhöht werden. Derzeit gebe es in Europa Produzenten und Konsumenten von Sicherheit. Die Militärhaushalte dürften nicht länger „den Launen der Gesamthaushalte unterliegen“. Nach Schätzungen der Nato geben die USA in diesem Jahr 3,1 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für die Verteidigung aus. Frankreich folgt mit 2,8 Prozent, danach Großbritannien (2,4 Prozent). Der deutsche Verteidigungsetat macht im laufenden Jahr 1,5 Prozent des BIP aus und soll im Jahr 2000 von 47,8 auf 47,7 Milliarden Mark gekürzt werden.

Vor Journalisten versicherte Rudolf Scharping gestern in Brüssel, die Bundeswehr sei auch mit dem verkleinerten Etat in der Lage, ihre Bündnisverpflichtungen im kommenden Jahr zu erfüllen. Für die Zukunft müssten neue Wege gesucht werden. Eine Lösung könne darin liegen, dass die Bündnispartner mehr neues Gerät gemeinsam beschaffen.

Gegen die geplante EU-Kriseneingreiftruppe haben die USA nach Aussage des Sprechers von US-Verteidigungsminister Cohen keine Einwände. Man sei zwar nicht einverstanden, wenn die Union eigenständige militärische Streitkräfte aufbauen wolle. Eine Eingreiftruppe von etwa 50.000 Soldaten sei aber angemessen. Genauer werde man sich allerdings erst äußern, wenn die Truppe auf dem EU-Gipfel Ende nächster Woche in Helsinki tatsächlich beschlossen werde.

Wie zwiespältig die Gefühle der Amerikaner gegenüber den europäischen Bündnisplänen sind, zeigt die Tatsache, dass es bislang keine offiziellen Gespräche zwischen Nato und EU über dieses Thema gibt. Der außenpolitische Vertreter der EU, Javier Solana, wollte ursprünglich an der Nato-Tagung teilnehmen – allerdings nicht als EU-Vertreter, sondern als Chef der Westeuropäischen Verteidigungsunion WEU. In letzter Minute sagte er die Teilnahme ab.