■  In der Nacht zum Freitag war die europäische Gemeinschaftswährung Euro zum ersten Mal weniger wert als der US-amerikanische Dollar. Seit Einführung hat er bereits siebzehn Prozent verloren. Für die Bewohner der Euro-Zone hat das allerdings kaum Nachteile
: Schwacher Euro macht Europa stark

Der Euro wird immer billiger. Am Freitag sackte die europäische Einheitswährung an der Wallstreet zeitweilig unter den Preis von einem Dollar ab, und auch an europäischen Börsen wurde er erstmals für 0,99 Dollar gehandelt. Damit setzt sich die monatelange Talfahrt des Euro fort. Seit seiner Einführung im Januar büßte er fast 17 Prozent seines Wertes ein.

Die dramatische Niederlage des Euro gegenüber der globalen Leitwährung Dollar bringt jedoch auch manch Gutes für Euro-Land mit sich. „Der Export freut sich mächtig“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Jörg Huffschmid. Autohersteller oder Maschinenbau profitieren vom rapiden Preisverfall des Euro.

Entsprechend billiger können deutsche PKWs oder Drehbänke auf dem Weltmarkt verkauft werden. Zugleich verteuern sich freilich Importe. Unter dem Strich profitiert jedoch der Standort Deutschland von der Euro-Abwertung, da er permanent einen Exportüberschuss erwirtschaftet. Gleiches gilt für das Euro-Land insgesamt. In der Summe nutzt der fallende Euro zunächst der Industrie. Entsprechend reagierten die deutschen Aktienwerte überwiegend positiv auf den Euro-Fall.

Heikel ist die Lage dagegen für Investoren und Anleger. „Die sind nicht erfreut“, vermutet Huffschmid. Schließlich verlieren alle Euro-Geldanlagen durch den Kursverfall international an Wert. Anderseits könnten globale Finanziers jetzt billig in den Euro einsteigen und auf eine teurere Zukunft hoffen.

Die Europäischen Zentralbank (EZB) macht seit Monaten trotz steten Euro-Falls in Optimismus. Auch jetzt verweist sie vorrangig auf das „robuste US-amerikanische Wirtschaftswachstum“, aber auch auf „Nervosität“ an den Märkten, die den Euro im Vergleich zum Dollar recht schlecht aussehen lassen.

Die EZB lässt zugleich keinen Zweifel daran, dass sie den Euro eigentlich für unterbewertet hält. Es bestehe kein Grund zur Sorge, beruhigt Präsident Duisenberg unermüdlich in Interviews mit Radio und Fernsehen, ja, es bestünde nicht einmal ein Grund, um einzugreifen.

Folglich besteht die Hauptstrategie der Hüterin stabiler Preise seit langem darin, immer wieder die „wirtschaftliche Erholung“ in der EU zu preisen. Immer optimistischer wurden schon in den letzten Tagen die Stimmen aus der EZB: Im Jahr 2000 werde es dann so richtig abgehen mit der Konjunktur und dadurch mit dem Euro.

In Amerika wird daran gezweifelt: Die französische und die deutsche soziale Marktwirtschaft seien zu einer rasanten Modernisierung nicht in der Lage. Dem widersprechen zwar viele aktuelle Wirtschaftsdaten in Europa, aber das interessiert viele Devisenhändler heute kaum. Nahrung für Euro-Zweifel lieferte auch der Fall Holzmann. „Wenn der wichtigste europäische Baukonzern fast Pleite geht, obwohl die weltgrößte Bank beteiligt ist, was soll man da vom Euro-Land halten?“, fragen besorgte Händler und antworten sich selbst mit: „wenig“. Der Filz von Industrie und Banken insbesondere in Deutschland irritiert viele internationale Investoren schon lange. Skepsis weckt auch „das Versagen“ – so ein Finanzexperte – der EZB: Die maßgebliche Geldmenge namens „M 3“ (Bargeld, kurzfristige Einlagen, Geldmarkt-Wertpapiere) sollte in 1999 nur um 4,5 Prozent wachsen. Bislang wurde dieses Ziel jedoch Monat für Monat verfehlt, und mittlerweile bewegt sich das Wachstum der Geldmenge auf die 6-Prozent-Marke zu. Das schwächt den Euro.

Immerhin zeigen die Konjunkturdaten in der EU tatsächlich nach oben und damit dürfte mittelfristig der Euro auch wieder zulegen. Aber, so warnt Weltökonom Huffschmid, „wie es weitergeht, weiß seriös niemand“. Ob eine Spekulation letztlich aufgeht, bleibt nun einmal spekulativ.

Hinter der Oberfläche aus Euro-Kurs, Exportzahlen und Geldanlagen tobt freilich ein dramatischer Konkurrenzkampf zwischen den Kontinenten. Mit dem Euro war über Nacht eine neue Weltwährung entstanden. Das trifft die amerikanischen Interessen ins Mark. Dabei geht es nicht allein um Psychologie – wenngleich dies auf den Devisenmärkten eine große Rolle spielt –, sondern auch um Machtpolitik, und es geht um ökonomische Interessen.

Denn während Euro-Land sich regelmäßig über ein Exportplus freuen kann, wächst in den USA das Minus im Außenhandel: Jahr für Jahr wird weit mehr eingeführt als ausgeführt. Die Importe deutscher Werkzeugmaschinen, französischen Käses oder japanischer Computertechnik können schon lange nicht mehr aus dem Verkauf amerikanischer Waren in Europa oder Asien bezahlt werden. Finanzieren lässt sich dieser volkswirtschaftliche Konsum auf Pump nur durch einen attraktiven Dollar.

Bislang finanziert ein Dauerregen aus D-Mark, Franc oder Yen das milliardenschwere Außenhandelsdefizit der Nordamerikaner. Inzwischen gefährdet der neue Euro dieses Leihmodell rapide. Global hat der Euro den Dollar in manchen Monaten schon als Anlagewährung Nummer eins abgehängt. Folglich kalkulieren viele Finanzprofis damit, dass „die USA am Dollarkurs drehen“, und setzen im Währungsspiel selber auf die Karte „steigender Dollar“.

Das wird aber auf Dauer wohl nicht ausreichen, um den Euro in die Knie zu zwingen.

Hermannus Pfeiffer,
Hamburg