Halten Sie die Klappe, Herr Schäuble?

■  Nach der Entlassung eines Kohl-Verbündeten will CDU-Chef Schäuble schriftliche Aufklärung der Spendenaffäre von Kohl. Der rät zum Mundhalten

Berlin (taz) – Der CDU-Ehrenvorsitzende Helmut Kohl wird nach den jüngsten Kapricen im CDU-Spendenskandal nicht mehr so stark auf die neue Parteispitze setzen können. Ein deutliches Signal für die immer größer werdende Entfremdung zwischen Kohl und dem CDU-Vorsitzenden Wolfgang Schäuble ist die Entlassung des engen Kohl-Vertrauten Hans Terlinden als Verwaltungschef des Konrad-Adenauer-Hauses. Terlinden soll für die Aufklärung der Affäre wichtige, für die CDU bestimmte Unterlagen nicht an Parteichef Schäuble weitergeleitet haben, sondern an Kohl. Dieser, so heißt es in der Bild am Sonntag, sei bereits im Besitz der Papiere gewesen, als er am vergangenen Dienstag öffentlich die Existenz von schwarzen Konten in der CDU einräumte. Bei den Schäuble vorenthaltenen Unterlagen soll es sich um die Aussage des langjährigen CDU-Finanzberaters Horst Weyrauch vor der Augsburger Staatsanwaltschaft handeln. Darin, so die Welt am Sonntag, würden die Sonderkonten Kohls eindeutig der CDU zugeordnet. Sie hätten entsprechende Untertitel enthalten. Ex-Generalsekretär Heiner Geißler, der durch seine Äußerungen dazu beigetragen hatte, dass Kohl sich öffentlich zu den schwarzen Konten bekennen musste, nannte es einen „schwer wiegenden Vertrauensbruch“, dass Kohl das Papier für sich behalten habe. „Das Patriarchat ist offenbar noch nicht beendet.“

In der Tat. Denn schon einen Tag nach seiner öffentlichen Beichte machte Kohl den Seinen klar, dass mit der Offenheit nun wieder Schluss sein müsse: „Haltet die Klappe, euer Landesvorsitzender hat doch auch Geld gekriegt“, soll er alten Mitstreitern bei einer Weihnachtsfeier der Union gedroht haben.

Schäuble beginge einen schweren Fehler, wenn er sich an die Order hielte. Das brächte ihn in den Verdacht, selbst mehr zu wissen, als er sagt. Erst einmal will er in dieser Woche alle potenziellen Kenner der Spendenaffäre – also auch Kohl – schriftlich zu einer Stellungnahme auffordern und gleich einen Fragenkatalog der mit der Aufklärung betrauten Wirtschaftskanzlei beilegen.

Für Kohl hat die Parteispendenaffäre möglicherweise auch strafrechtliche Konsequenzen. Die Bonner Staatsanwaltschaft will in der kommenden Woche darüber entscheiden, ob sie gegen den Kanzler der Einheit ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue einleitet. Die Offenbarung von Kohl, für „Sonderzuweisungen an Parteigliederungen“ über schwarze Konten verfügt zu haben, könnte nach Auskunft des Justizsprechers „den Anfangsverdacht“ wegen Untreue begründen.

Widersprüchliche Ausagen gab es am Wochenende darüber, was Volker Rühe, ehemaliger Generalsekretär der Partei und CDU-Spitzenkandidat im schleswig-holsteinischen Landtagswahlkampf, von den dubiosen Finanzgeschäften wusste. ‚/B‘
Der Spiegel berichtet, dass der ehemalige CDU-Schatzmeister Leisler Kiep gesagt habe, außer ihm und Kohl habe auch der jeweilige Generalsekretär über alle Treuhandkonten Bescheid gewusst. Dem widersprach Kiep am Wochenende: „Das ist kompletter Unsinn.“ Karin Nink

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