■ Die intellektuelle Dimension der Globalisierung“ in der Kulturhauptstadt Weimar

In Weimar fand an diesem Wochenende die Preisvergabe zum ersten internationalen Essaywettbewerb statt. Das Projekt startete weltweit im Dezember 1997. Die Träger: Weimar 1999 – Kulturhauptstadt Europas GmbH und Europas Kulturzeitung Lettre International, Berlin, deutsche Ausgabe, in Kooperation mit dem Goethe-Institut. Das Projekt richtete sich an eine intellektuelle Weltöffentlichkeit mit der Frage: „Die Zukunft von der Vergangenheit befreien? Die Vergangenheit von der Zukunft befreien?“

Dieses Thema sollte durch einen Essay von etwa 30 Seiten abgehandelt werden. Die ersten drei Preisträger erhalten 50.000 Mark, 30.000 Mark und 20.000 Mark; weiterhin werden zehn mehrmonatige Arbeitsstipendien von Kultur-, Wissenschafts- und Literaturinstitutionen in Deutschland vergeben.

Die Endjury-Mitglieder Edouard Glissant aus Martinique, Breyten Breytenbach aus Südafrika, Halim Barakat aus Syrien/USA, Yang Gan aus China, Adela Cortina aus Spanien, Andrej Bitow aus Russland und Boris Groys aus Deutschland entschieden sich neben der Vergabe des ersten und zweiten Preises den dritten Platz auf zwei Preisträger aufzuteilen. Die Gewinner:

1. Preis: Die 20-jährige Studentin Ivetta Gerasimchuk für ihren Essay „Das Wörterbuch der Winde“.

2. Preis: Der Rechtsprofessor Louis E. Wolcher (53) aus Seattle (USA) für seinen Beitrag „Die Sprache der Zeit“.

3. Preis: Der französisch-amerikanische Publizist Christoph Wall-Romana (37) für seinen Essay „Metaschuld“ (hier in Auszügen abgedruckt) und der Schriftsteller und Journalist Velimir Curgus Kazimir (54) aus Belgrad für seinen Beitrag „Häuser“.

Das Echo auf die Ausschreibung war groß. Insgesamt wurden 2.481 Essays aus 123 Ländern in den sieben Wettbewerbssprachen – die sechs Sprachen der Vereinten Nationen (Englisch, Französisch, Spanisch, Russisch, Arabisch und Chinesisch) sowie die Sprache der Veranstalter (Deutsch) – eingereicht. Die eingesandten Essays reichen von philosophischen, historischen, psychoanalytischen und naturwissenschaftlichen Texten über literarische Erzählungen bis zu biografischen Zeugnissen. Den formalen Ausschreibungskriterien entsprechend wurden 2.203 Essays zugelassen: 710 Beiträge in deutscher, 618 in englischer, 306 in russischer, 205 in französischer, 205 in spanischer, 122 in arabischer und 37 in chinesischer Sprache. Sieben Vorjurys (je eine Vorjury für jede Sprache) wählten aus 2.481 eingegangenen Beiträgen aus aller Welt 43 Texte zur Finalteilnahme aus.

Die ersten 10 bis 15 Essays der Preisträger werden in der Winterausgabe Nr. 47 von Lettre International veröffentlicht. Diese Ausgabe erscheint zur Preisverleihung. Ebenfalls geplant ist die Publikation der wichtigsten Essays als Buch in Kooperation mit Verlagen verschiedener Länder.

Mit dem „Internationalen Essay-Wettbewerb“, der sich an den Traditionen philosophischer Preisausschreiben europäischer Akademien der Wissenschaften und Künste im 18. und 19. Jahrhundert orientiert, ist ein solches Projekt zum ersten Mal auf Weltebene realisiert worden. Autoren der unterschiedlichsten kulturellen Kontinente haben sich zur gleichen Zeit auf eine allen gemeinsame Fragestellung bezogen. Es handle sich, so die Veranstalter, „gewissermaßen um eine Probe auf die intellektuelle Dimension der Globalisierung“. Der Dichter, Schriftsteller und Kulturtheoretiker Edouard Glissant aus Martinique hielt die Festrede. „Der Essay, der prämiert wurde“, so Glissant, „zeichnet sich durch eine glänzende Fantasie aus, die sich auf eine wundervolle und offene Gelehrsamkeit stützt.“                      ed