Die Waffe der Gegner: Vergangenheit

Eigentlich hat sich die PDS von der SED-Vergangenheit eindeutig distanziert. Dennoch scheint die Nostalgie zuzunehmen. Die Kommunisten in der Partei sind aber politisch abgemeldet    ■  Von Andreas Spannbauer

Zehn Jahre nach dem Exitus der DDR scheint die PDS mehr an ihrer Geschichte als an ihrer Gegenwart gemessen zu werden. SPD und Grüne in Berlin lehnen die Regierungsbeteiligung vor allem mit dem Hinweis auf die mangelhafte Aufarbeitung der SED-Vergangenheit ab. Joachim Gauck warnte vor Zusammenarbeit mit den Worten: „An der Basis und auch in unseren Parlamenten dominieren in der PDS die Unaufgeklärten“.

Die PDS nimmt das resigniert zur Kenntnis. „Die PDS-interne Diskussion um die DDR-Geschichte wird von vielen bewusst ignoriert“, sagt PDS-Sprecher Axel Hildebrandt. Sie gehe im Windschatten der „politischen Instrumentalisierung“ unter.

Seit sich auf dem Gründungsparteitag im Dezember 1989 der heutige Parteivorsitzende Lothar Bisky in der Berliner Dynamo-Sporthalle bei der Bevölkerung in aller Form für die „Fehlleistungen“ der Partei entschuldigte, vergeht kein Jahr, in der sich die PDS nicht von den „antidemokratischen und antisozialistischen“ Herrschaftspraktiken der DDR lossagen würde. Im Parteiprogramm ist neben den „wertvollen Erfahrungen im Kampf um soziale Gerechtigkeit“ auch von „Fehlern, Irrwegen, Versäumnissen und Verbrechen“ in der DDR die Rede.

Der Historiker Jochen Czerny, der als Mitglied der Historischen Kommission der PDS maßgeblich am Streit um die geschichtliche Rolle der SED beteiligt ist, bilanziert: „Die Kritik an der DDR ist in der PDS inzwischen Allgemeingut.“ Die PDS habe sich von der parteikommunistischen Tradition und damit vom demokratischen Zentralismus abgekoppelt.

Besonders das fraktionsübergreifende Bekenntnis zum Pluralismus sei die Garantie gegen einen Rückfall in alte Politikmuster. Außerdem habe sich die PDS eindeutig von einem wesentlichen historischen Ziel der kommunistischen Bewegung verabschiedet: der Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln. „Es geht nicht um eine Verstaatlichung der Wirtschaft, sondern um die Begrenzung der Kapitaldominanz in der Gesellschaft.“

Fraglich ist allerdings, in welchem Umfang der Bruch mit der Tradition des Staatssozialismus vollzogen worden ist. Die Wahrnehmung der autoritären Verhältnisse in der DDR als bloßes Detail der Geschichte, so Czerny, sei vor allem unter älteren Parteimitgliedern anzutreffen. Dies hänge nicht nur mit der „jahrzehntelang versäumten Aufklärung“ zusammen: Die Entwertung des Lebenswerkes DDR werde als Abwertung der eigenen Leistungen wahrgenommen.

Hinzu kommt, dass viele PDS-Mitglieder glauben, jeder eingestandene Fehler liefere den Konservativen Munition für die Meinungsschlacht. Michael Schumann, Mitglied im Bundesvorstand der Partei und dem Reformerflügel zugehörig, erkennt darin gar den „eigentlichen politischen Sinn“. Mit der DDR werde gleichzeitig die Linke diskreditiert.

Insbesondere die „Kommunistische Plattform in der PDS“ (KPF) macht mit einer konsequenten Verteidigung der DDR regelmäßig Schlagzeilen. PDS-Landeschefin Petra Pau beteuert aber, die Plattform habe in Berlin praktisch nichts zu sagen. Fraktionschef Harald Wolf spricht von einer „friedlichen Koexistenz“, ohne dass die KPF Einfluss nehme. Beim letzten Landesparteitag hatte die KPF gefordert, wegen des Kosovo-Krieges eine Regierungsbeteiligung mit Rot und Grün von vornherein auszuschließen. Das wurde einhellig abgelehnt.

Manche in der PDS wären die Plattform lieber heute als morgen los, weil sie das Bild der Partei in nicht repräsentativer Weise negativ prägt. Von einem Ausschluss wird aber abgesehen: Zum einen würde ein solcher Schritt das neue Bekenntnis zum Pluralismus ad absurdum führen. Zum anderen würden DDR-nostalgische PDS-Wähler vor den Kopf gestoßen. Und die Nostalgie scheint zuzunehmen.

Bei vielen steht die historische Legitimität der DDR-Gründung als Antwort auf den Nationalsozialismus im Vordergrund.

Der PDS-Abgeordnete Michail Nelken, einer der schärfsten Stalinismus-Kritiker innerhalb der Partei, erklärt dieses Rollback mit dem aggressiven Auftreten des Westens, das bei vielen Ostdeutschen, nicht nur bei PDS-Wählern, eine Abwehrhaltung hervorrufe.

Nelken wirft einigen PDS-Mitstreitern eine „fragmentierte Wahrnehmung der Geschichte“ vor. Die DDR werde auf ihre sozialstaatlichen Leistungen reduziert. Das Fehlen von Pluralismus und Demokratie werde ignoriert. Nelken: „Mit der gleichen Berechtigung könnte man sagen: Auch bei Hitler war nicht alles schlecht.“

Die Reformer in der Parteiführung bemühen sich gegenzusteuern. Parteichef Bisky gesteht ein: Die Ostalgie sei zwar für die PDS positiv gewesen, weil dadurch diejenigen, die sich zur SED bekannten, gebunden werden konnten. Andererseits, sagt er, „hängt uns diese Entwicklung heute wie ein Klotz am Bein“.