Die Russen haben Schwein gehabt  ■  Von Ralf Sotscheck

Die Iren sind hilfsbereit. Sie haben lange genug gehungert, und wenn andere Menschen Not leiden, schickt man ihnen Nahrungsmittel – sonst kämen die Hungerleider womöglich selbst vorbei und beantragten Asyl. Halb Rumänien treibt sich inzwischen auf der kleinen Grünen Insel herum. Kämen nun auch noch die Russen, würde es unvorstellbar eng.

So hat Irland Rindfleischkonserven nach Russland geschickt, denn man fühlt sich mitverantwortlich für das Elend dort. Schließlich hat die irische „Blaue Armee“ der katholischen Kirche seit der russischen Oktoberrevolution für die Zerschlagung der Roten Armee und das Ende des Kommunismus gebetet. Weil die Russen nun keine Kommunisten mehr sind, dürfen sie auch keine Kinder mehr fressen, sondern sind auf Fleischkonserven angewiesen.

Ganz so selbstlos war die Dosenlieferung freilich nicht, die Europäische Union hat dafür bezahlt – tonnenweise grüne Büchsen mit der Aufschrift „Beef In Juice“, daneben das Gütesiegel des Dubliner Landwirtschaftsminsteriums: „Geprüft und für gut befunden“. Hergestellt wurden sie zwischen 1993 und 1996 von Avonmore, Irlands größtem Lebensmittelkonzern. Nun sind die Dosen wieder aufgetaucht, und zwar in den Regalen eines Dubliner Supermarktes. Das Verfallsdatum war bereits zwei Jahre abgelaufen. Ein misstrauischer Kunde ließ die Konserven von einem unabhängigen Labor untersuchen. Es stellte sich heraus, dass sie elf Prozent Fett und 75 Prozent Flüssigkeit enthielten. Was an Fleisch darin herumschwamm, war gerade mal zu einem Prozent Beef, zu 98 Prozent dagegen Schweinefleisch.

Und das war obendrein mechanisch gewonnen – durch Absaugung am Knochen festsitzender Fleischreste mit Hilfe eines Vakuumverfahrens. Diese Fetzen verdienen die Bezeichnung „Fleisch“ eigentlich kaum, und weil das Zeug außerdem ein Gesundheitsrisiko darstellt, ist das Verfahren im Zuge der BSE-Krise 1996 verboten worden. Vor der Dosenpampe hätten sich selbst streunende Katzen abgewandt.

Der Oppositionspolitiker Des O'Malley forderte die Regierung auf, zu den Schwindeletiketten Stellung zu nehmen, doch Landwirtschaftsminister Joe Walsh erklärte, das staatliche Labor sei nicht in der Lage, die Art des Fleisches zu bestimmen. Aber es kann immerhin Gütesiegel verteilen. „Nur weil die armen Russen Hunger haben, kann man ihnen ja nicht Dreck verkaufen“, meint O'Malley. Doch, kann man.

Warum aber hat Avonmore falsche Etiketten angebracht, die das Schweine- in Rindfleisch verwandelten? In Zeiten des Rinderwahnsinns wäre der umgekehrte Weg eigentlich logischer gewesen. Es stecken andere Gründe dahinter. Erstens hätte die EU für den Export von Schweinefleisch nicht bezahlt, zweitens essen die russischen Juden und Moslems nun mal kein Schweinefleisch, und da ist es besser, sie wissen es gar nicht erst.

Aber vielleicht haben sie es ja herausgefunden und die ekelhaften Dosen aus Rache einem ahnungslosen irischen Supermarktbesitzer angedreht. Von dem Erlös haben sie sich wahrscheinlich etwas Anständiges gekauft, britisches Beef z. B., das ist zur Zeit recht günstig. Und gesundheitsschädlicher als der irische Büchsenfraß kann es auch nicht sein.