„Kyrill“ bläst Berlin ins Gesicht

Der außergewöhnlich heftige Orkan mischt Berlin auf. U-Bahnen fahren langsamer, Flüge fallen aus, die Polizei erhöht ihre Präsenz in den Straßen. Die Feuerwehr ruft Ausnahmezustand aus. Straßen unter Wasser. Bürger sollten nicht ins Freie gehen

VON RICHARD ROTHER

Um 18.07 Uhr zuckten die ersten Blitze über der City. Mit dem unmittelbar einsetzenden Donner hatte das über Deutschland tobende Unwetter auch Berlin erreicht. Gegen 18.40 Uhr rief die Feuerwehr den Ausnahmezustand aus. Im Süden der Stadt seien bereits Windstärken von 110 Stundenkilometern gemessen worden. Zahlreiche Straßen stehen unter Wasser, teilte die Leitstelle mit. Bis zu 1.500 Kräfte seien im Einsatz.

In Brandenburg erwischte der Sturm als Erstes die Prignitz – er kam schließlich von Nordwesten. Begleitet wurde die Kaltfront von kräftigem Regen, Hagel und Gewitter. Auf freien Flächen waren Sturmböen der Windstärke 11 bis örtlich 12 vorausgesagt.

Ein erster Sturmschaden trat schon am Nachmittag auf dem Wiederverwertungshof der BSR in der Fischerstraße auf. Dort riss eine Sturmböe einen Leuchtwürfel vom Mast, verletzt wurde aber niemand. Dennoch schloss die BSR am Nachmittag vorsorglich alle Recyclinghöfe, um eine Gefährdung von Kunden und Mitarbeitern auszuschließen.

Auch auf den Flughäfen machte sich das Unwetter bemerkbar. Obwohl vor Ort von dem Sturm noch kaum etwas zu spüren war, mussten bis 18 Uhr schon 21 Flüge von und nach Berlin gestrichen werden, weil die Start- beziehungsweise Zielorte bereits von dem Sturm betroffen waren.

Weil die BVG angeblich ihren Verkehr gegen 20 Uhr einstellen würde, wollte die Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses Karin Seidel-Kalmutzki (SPD) gar die laufende Parlamentssitzung vorzeitig beenden. Solche Pläne dementierte das Verkehrsunternehmen jedoch. Aus Sicherheitsgründen sei nur die maximale Geschwindigkeit auf den Hochbahn-Strecken auf 40 Stundenkilometer reduziert worden.

Intensiv waren die Vorbereitungen auf den Sturm vor allem bei Polizei, Feuerwehr und Technischem Hilfswerk. Zwar wurde die Zahl der eingesetzten PolizistInnen nicht erhöht. „Aber die Dienstzeiten werden verlängert“, sagte Polizeisprecherin Kerstin Heßelbarth. Ab dem Nachmittag waren verstärkt Beamte in der Innenstadt unterwegs, um gefährliche Stellen möglichst schnell zu entdecken.

Die Polizei rief die Berliner dazu auf, nach Möglichkeit in geschlossenen Räumen zu bleiben. Wer im Freien unterwegs sein musste, sollte Abstand von Bäumen, Gerüsten und Hochspannungsleitungen halten.

Bei dem bislang schwersten Sturm in der Region waren im Juli 2002 insgesamt acht Menschen ums Leben gekommen – darunter auch Kinder, die auf einem Zeltplatz übernachteten.